Page 172 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Denn wir warteten schon längst darauf, in der Meinung du werdest
irgendwo betreffs der Kindererzeugung eine Erwähnung machen, in
welcher Weise die Menschen Kinder erzeugen und wie sie dieselben
nach der Geburt pflegen sollen, und wie du überhaupt jene ganze
Gemeinschaftlichkeit der Weiber und der Kinder verstehest; denn wir
glauben, daß es Vieles und sogar das Ganze für den Staat beitragen
werde, je nachdem dieß in richtiger oder in unrichtiger Weise stattfinde.
Jetzt also, nachdem du dich bereits an eine andere Staatsverfassung
machtest, ehe du noch dieses genügend erörtert hattest, beschlossen wir,
was du so eben vernahmst, nemlich dich nicht eher loszulassen, bis du
nicht all dieses ebenso, wie das Uebrige, durchgegangen hast. – Und
rechnet also auch mich, sagte Glaukon, zu den für diesen Beschluß
Stimmenden. – Glaube zuverlässig, o Sokrates, sprach auch
Thrasymachos, daß dieß unser aller Meinung sei. –
2. Was habt ihr doch, sprach ich, damit angerichtet, daß ihr euch so
an mich machtet? Welch lange Begründung ruft ihr hiemit gleichsam
wieder von Anfang an betreffs jenes Staates hervor, welchen bereits nun
durchgegangen zu haben, ich sehr vergnügt war, vollkommen damit
zufrieden, wenn man es nur so gelten und beruhen lassen wollte, wie es
damals erörtert wurde; indem ihr jetzt jenes wieder zum Vorschein
bringt, wißt ihr gar nicht, welchen Schwarm von Begründungen ihr
hiemit heraufbeschwöret, einen Schwarm, welchen ich damals schon
sehr wohl sah und eben überging, damit er die Sache nicht gar zu
massenhaft mache. – Wie aber? sagte Thrasymachos; glaubst du denn,
alle Diese seien heute zum Metallgießen hieher gekommen, nicht aber,
um begründende Reden zu hören? – Ja, dieß wohl, sagte ich, aber
wenigstens mit Maß. – Das Maß aber ja, o Sokrates, sagte Glaukon, für
das Anhören derartiger Begründungen ist bei verständigen Menschen das
ganze Leben. Aber überhaupt, was dabei unsere Sache ist, so bekümmere
dich nicht darum; du hingegen ermüde nicht, betreffs dessen, um was wir
dich fragen, deine Ansicht auseinander zu setzen, welches nemlich für
unsere Wächter jene Gemeinschaftlichkeit bezüglich der Kinder und
Weiber sei und bezüglich der Pflege der Kinder in der Zwischenzeit
zwischen der Geburt und dem Eintritte der Bildung, welche
Zwischenzeit ja die mühseligste zu sein scheint. Versuche also,
anzugeben, in welcher Weise die Gemeinschaftlichkeit stattfinden solle.
– Nicht leicht, o du Glücklicher, sagte ich, ist dieß durchzugehen; denn
es enthält viel Unglaubliches in noch weit höherem Grade in sich, als
jenes, was wir im Früheren schon durchgingen; nemlich sowohl daß wir
hiebei von etwas Möglichem sprechen, möchte schwerlich geglaubt
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