Page 160 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ebenso das Hungern die Begierde nach Speise an und für sich? – Auf
                diese Weise, sagte er, ist jede Begierde selbst an und für sich eben nur
                die Begierde nach je jenem an und für sich, worauf sie von Natur aus

                gerichtet ist, hingegen nach einem so oder so beschaffenen ist sie es erst
                in Folge hinzutretender Umstände. – Ja, nemlich damit uns, sagte ich,
                Niemand als Unvorbereitete mit dem Einwande in Verwirrung bringe.
                daß ja Keiner bloß einen Trank begehre, sondern Jeder einen guten
                Trank, und Keiner Speise, sondern Jeder gute Speise; nemlich allerdings
                Alle begehren das Gute, und wenn also der Durst ein Begehren ist, so ist
                er auch das Begehren nach einem Guten, sei dieß nun ein Trank oder

                irgend etwas Anderes, und ebenso auch bei den übrigen BegierdenD. h.
                wenn auch das Prädicat »gut« zu »Speise« oder »Trank« gesetzt wird, so
                darf dieß nicht als eine solche irgend hinzutretende qualitative
                Bestimmtheit betrachtet werden, wie die obigen Beispiele des »warm«
                und des »viel« waren; denn das Prädicat »gut« ist ein schon von
                vornherein in jedem Falle bestehendes, woferne überhaupt nur von

                Gegenständen der Begehrungen gesprochen wird.. – Ja, allerdings, sagte
                er, könnte vielleicht Jemand glauben, mit diesem Einwende etwas Triftig
                zu sagen. – Hingegen ja, sprach ich, ist bei Allem, was derartig ist, daß
                es mit irgend etwas in Beziehung steht, das irgendwie Bestimmte nur mit
                einem irgendwie Bestimmten in Beziehung, das Ding an und für sich
                aber nur mit dem Anderen an und für sich in Beziehung. – Dieß habe ich
                nicht verstanden, sagte er. – Du verstehst nicht, fragte ich, daß das

                Größere derartig ist, daß es in Beziehung auf Etwas ein Größeres ist? –
                Ja, dieß allerdings wohl. – Nicht wahr, in Beziehung auf das kleinere? –
                Ja. – Das bei weitem Größere aber in Beziehung auf ein bei weitem
                Kleineres; oder wie? – Ja. – Also wohl das irgend einmal Größere in
                Beziehung auf ein irgend einmal Kleineres und das künftig Größere in
                Beziehung auf ein künftig Kleineres? – Aber was soll hiegegen im Wege

                stehen? sagte er. – Und auch das Mehrere im Vergleiche mit dem
                Wenigeren und das Doppelte im Vergleiche mit dem Halbsogroßen und
                all Derartiges, und hinwiederum auch das Schwerere im Vergleiche mit
                dem Leichteren und das Schnellere im Vergleiche mit dem Langsameren,
                und ferner ja auch das Warme im Vergleiche mit dem Kalten und Alles,
                was diesen Dingen ähnlich ist, verhält sich’s nicht etwa ebenso? – Ja,
                durchaus wohl. – Wie aber verhält es sich mit den Zweigen des Wissens?

                ist es da nicht die nemliche Art und Weise? nemlich Wissen an und für
                sich ist ein Wissen eines Lerngegenstandes an und für sich (oder wie
                sonst man jenes ausdrücken soll, worauf sich das Wissen bezieht),
                hingegen ein einzelnes und irgendwie beschaffenes Wissen ist das eines





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