Page 179 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ist dieß gerecht. – Vielleicht jedoch könnte, wie auch du kurz vorher
                einmal sagtest, ebenso auch ein Anderer sagen, daß sogleich im ersten
                Augenblicke dieß anzugeben nicht leicht sei, nach einiger Erwägung

                aber gar nicht schwierig. – Ja, allerdings könnte er dieß sagen. – Willst
                du also, daß wir jenen, welcher uns derartig widerspricht, nun bitten, er
                möge uns nachfolgen, woferne etwa wir ihm nachweisen können, daß es
                keine dem Weibe eigenthümliche Beschäftigung bezüglich der
                Staatsverwaltung gebe? – Ja, allerdings. – So komm denn, werden wir zu
                ihm sagen, und antworte uns. Meintest du es in diesem Sinne, daß der
                Eine von Natur aus zu Etwas begabt sei und der Andere nicht begabt sei,

                insoferne Ersterer Etwas leicht lernt, Letzterer aber schwer, und
                insoferne Ersterer von einem kurzen Unterrichte her weithin eine
                Erfindungsgabe in jenem, was er lernte, besitzt, Letzterer aber nach
                langem Unterrichte und Fleiße nicht einmal behalten kann, was er lernte,
                und insoferne Ersterem die körperlichen Verhältnisse genügend zu seiner
                Denkthätigkeit dienstbar sind, Letzterem aber feindselig entgegentreten?

                ist es etwa irgend Anderes, als dieses, wornach du den wohl Begabten
                und den nicht Begabten bezüglich der einzelnen Dinge von einander
                unterschiedst? – Keiner, sagte er, wird Anderes anführen. – Weißt du also
                unter den Gegenständen des menschlichen Fleißes irgend einen, in
                welchem nicht in all diesen Beziehungen das Geschlecht der Männer
                gegenüber jenem der Weiber sich hervorthue? oder sollen wir
                weitschweifig von der Weberkunst oder von der Thätigkeit des Backens

                und Kochens sprechen, worin das weibliche Geschlecht irgend eine
                Geltung zu haben scheint, und wo es auch am allermeisten ausgelacht
                würde, wenn es hierin nachstünde? – Du sprichst wahr, sagte er, daß so
                zu sagen in sämtlichen das Eine Geschlecht von dem anderen weit
                übertroffen wird; jedoch sind viele Frauen bezüglich vieler Dinge besser
                als viele Männer; aber im Ganzen verhält sich’s so, wie du sagst. – Also,

                mein Freund, keine Beschäftigung derjenigen, welche einen Staat
                verwalten, ist Sache des Weibes darum, weil es ein Weib ist, und keine
                ist Sache des Mannes darum, weil es ein Mann ist, sondern gleichmäßig
                sind die Begabungen in den beiderlei lebenden Wesen zerstreut, und an
                allen Beschäftigungen hat von Natur aus das Weib Antheil, an allen aber
                auch der Mann, hingegen bei allen ist das Weib ein schwächeres Wesen
                als der Mann. – Ja, allerdings. – Werden wir also etwa den Männern alle

                Beschäftigungen auftragen, dem Weibe aber keine? – Und wie sollten
                wir auch? – Hingegen ist wohl, glaube ich, zufolge unserer Behauptung
                auch ein Weib von Natur aus zur Arzneikunde befähigt, ein anderes aber
                wieder nicht, und auch ein Weib musisch gebildet, ein anderes nicht





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