Page 184 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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hervorgehen, oder wünschest du, daß sie zumeist von den besten
                kommen? – Ja, aus den besten. – Wie aber? aus den jüngsten oder aus
                den schon älteren oder aus jenen, welche zumeist im schönsten Alter

                stehen? – Aus jenen im schönsten Alter. – Und wenn nicht auf diese
                Weise die Zeugung vor sich geht, so erwartest du, daß dir die ganze Race
                der Hunde und der Hähne weit schlechter werde? – Ja, gewiß. – Wie aber
                glaubst du, sagte ich, daß es mit den Pferden und den übrigen Thieren
                sei; oder daß es etwa anders sich verhalte? – Ungereimt ja wäre dieß,
                sagte er. – Weh, mein lieber Freund, sprach ich, wie sehr also bedürfen
                wir gar hervorragender Herrscher, wenn es auch bei der Gattung der

                Menschen sich ebenso verhält. – Aber es verhält sich auch wirklich so,
                sagte er; was soll’s aber nun sein? – Daß dieselben nothwendig,
                erwiederte ich, gar viele Arzneimittel anwenden müssen; eben aber
                betreffs eines Arztes ja sind wir der Meinung, daß für Körper, welche
                noch keiner Arzneimittel bedürfen, sondern der bloßen Diät sich fügen,
                auch ein schlichterer Arzt genüge; wenn hingegen der Körper auch

                Arzneimittel einnehmen muß, wissen wir wohl, daß ein muthigerer Arzt
                erforderlich ist. – Dieß ist wahr; aber in welcher Beziehung meinst du
                dieß? – In folgender, sagte ich: es kömmt darauf hinaus, daß uns die
                Herrscher eine Menge von Unwahrheit und Täuschung zum Nutzen der
                Beherrschtwerdenden anwenden müssen; wir sagten ja aber doch wohl
                B. II, Cap. 21 und B. III, Cap. 3., daß in Form eines Arzneimittels all
                Derartiges nützlich sei. – Ja, und mit Recht, sagte er. – Bei der

                Eingehung von Ehen demnach und bei der Kindererzeugung wird dieses
                Recht sicher nicht in geringem Grade eintreten. – Wie so? – Es sollen
                nemlich, sagte ich, in Folge des bisher Zugestandenen so oft als möglich
                die besten Männer den besten Frauen beiwohnen, die schlechtesten aber
                den schlechtesten so selten als möglich, und die Sprößlinge der Ersteren
                soll man pflegen, die der Letzteren aber nicht, woferne die Heerde so

                ausgezeichnet als nur möglich sein soll; und nun daß dieß Alles
                geschieht, muß den Leuten, mit Ausnahme der Herrscher selbst,
                verborgen bleiben, woferne hinwiederum die Schaar der Wächter so sehr
                als möglich von Aufruhr frei bleiben soll. – Völlig richtig, sagte er. –
                Nicht wahr also, irgend Festmahle werden gesetzlich anzuordnen sein,
                bei welchen wir die Hochzeiter und die Hochzeiterinnen
                zusammenführen werden, und auch Opfer sind zu veranstalten, und

                Lieder müssen unsere Dichter dichten, welche für die stattfindenden
                Ehe-Feierlichkeiten passen; die Zahl der Ehen aber werden wir den
                Herrschern anheimstellen, damit sie so sehr als möglich mit
                Berücksichtigung von Kriegen und Krankheiten und all Derartigem stets





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