Page 198 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Weise einen Zwiespalt nennen, falls nemlich etwas Derartiges eintritt
                und ein Staat in einem Zwiespalte sich befindet, bei einer von beiden
                Seiten gegen beide geübten Verheerung der Ländereien und Verbrennung

                der Häuser, der Zwiespalt wohl ein frevelhafter und keine der beiden
                Parteien eine Liebe zum Staate zu besitzen scheinen wird; denn sonst
                würden sie es ja nicht über sich gewinnen, die Ernährerin und Mutter zu
                mißhandeln; sondern daß es seitens der Siegenden noch mäßig sei, wenn
                sie den Besiegten die Aernte wegnehmen und über die Sache so denken,
                als würden sie gegenseitig sich wieder versöhnen und nicht
                immerwährend Krieg führen. – Ja, bei weitem sanfter, sagte er, ist eine

                solche Denkungsweise, als jene. – Wie aber nun? wird der Staat,
                welchen du gründest, nicht ein hellenischer sein? – Ja, er soll wenigstens,
                sagte er. – Nicht wahr also, auch Tüchtige und Sanfte werden deine
                Bürger sein? – Ja, in hohem Grade. – Werden sie aber nicht auch
                Hellenenfreunde sein, und werden sie nicht Hellas für ein ihnen
                Angehöriges halten, und werden sie nicht auch an den nemlichen

                heiligen Dingen Theil nehmen, wie alle übrigen Hellenen? – Ja, auch
                dieß in hohem Grade. – Nicht wahr also, eine Entzweiung gegen
                Hellenen als gegen Angehörige werden sie nur für einen Zwiespalt
                halten und nicht als Krieg bezeichnen? – Nein, allerdings nicht. – Und
                sie werden sich also in einer Weise entzweien, als würden sie sich wieder
                einmal versöhnen. – Ja, allerdings. – In milder Gesinnung demnach
                werden sie dieselben wohlmeinend bestrafen, nicht aber sie züchtigen,

                um sie zu knechten oder zu verderben, und werden eher ihre
                wohlmeinenden Bestrafer, nicht aber kriegerische Feinde sein. – Ja, so ist
                es, sagte er. – Hellenen also werden kein hellenisches Land verwüsten
                und nicht die Wohnungen niederbrennen, und auch gar nicht zugestehen,
                daß in jedem einzelnen Staate Sämmtliche ihnen feindselig seien, sowohl
                Männer, als Frauen, als Kinder, sondern daß immer nur Wenige die

                Feindseligen seien, nemlich die Urheber der Entzweiung; und aus all
                diesen Gründen werden sie weder das Land jener verwüsten, noch die
                Häuser zerstören wollen, da ja die Mehrzahl ihnen Freund ist, sondern
                nur so weit werden sie die Entzweiung ausdehnen, bis die Schuldigen
                von den bedrängten Unschuldigen gezwungen werden, ihre Strafe zu
                büßen. – Ich gestehe zu, sagte er, daß auf eben diese Weise unsere
                Bürger mit ihren Gegnern in Berührung treten sollen, mit den Nicht-

                Hellenen aber in jener Weise, welche jetzt unter den Hellenen
                gegenseitig die übliche ist. – Wollen wir demnach auch dieses Gesetz
                aufstellen, daß unsere Wächter weder das Land verheeren, noch die







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