Page 201 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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haben? – Ja, allerdings. – Glaubst du also, daß wir dann deswegen es
                weniger gut begründet haben, weil wir nicht beweisen können, daß es
                möglich sei, einen Staat so zu gründen, wie wir angaben? – Wahrlich

                nicht, sagte er. – Das Wahre hierüber, sprach ich, ist hiemit dieß.
                Woferne aber nun ich um deinetwillen ja auch dazu bereitwillig sein soll,
                nachzuweisen, inwieferne und in welcher Beziehung es doch noch im
                höchsten Grade irgend möglich sei, so mußst du zum Behufe des
                derartigen Nachweises mir abermals das Nemliche zugestehen. – Was
                denn wohl? – Ist es wohl möglich, daß Etwas gerade so vollzogen werde,
                wie es ausgesprochen wird, oder liegt es in der Natur der Sache, daß der

                Vollzug immer in geringerem Grade die Wahrheit treffe, als der Wortlaut,
                auch wenn es nicht so zu sein scheint? Gestehst du es mir aber in dieser
                Weise zu oder nicht? – Ich gestehe es zu, sagte er. – Jenen Zwang
                demnach lege mir nicht auf, daß ich von Allem gerade so, wie wir es in
                der Begründung durchgingen, auch darlege, daß es völlig ebenso in der
                Verwirklichung eintrete; sondern falls wir im Stande sind, zu finden, in

                welcher Weise Jemand bei Gründung eines Staates dem Gesagten wohl
                am nächsten käme, dann möchten wir behaupten, wir hätten die
                Möglichkeit aufgefunden, daß wirklich entstehe, was du wünschest.
                Oder wirst du es nicht zufrieden sein, wenn du dieß erreichst? Ich
                wenigstens wäre es wohl zufrieden. – Ja, auch ich, sagte er. –
                     18. Hiernach aber müssen wir, wie es scheint, versuchen, zu
                erforschen und nachzuweisen, was denn wohl gegenwärtig in den

                Staaten schlecht stehe, dem zufolge sie nicht in dieser unserer Weise
                verwaltet werden, und durch welche möglichst geringe Veränderung der
                Staat eben zu dieser Art und Weise der Verfassung gelangen könnte,
                indem wo möglich nur Eines oder, wenn dieß nicht genügt, nur zwei
                Dinge, oder wenn dieß nicht genügt, jedenfalls nur die der Zahl nach
                wenigsten und der Geltung nach geringsten Dinge geändert würden. – Ja,

                durchaus so, sagte er. – Und allerdings, wenn nur Eines geändert würde,
                sagte ich, glauben wir den erforderlichen Umschwung nachweisen zu
                können; freilich wäre jenes nicht ein Geringes, noch auch ein Leichtes,
                aber ein Ausführbares. – Welches ist dieß? sagte er. – Nun komme ich,
                erwiederte ich, eben auf jenes, was wir vorher mit der größten
                brandenden Woge verglichen haben; aber gesagt muß es nun werden,
                selbst wenn es auch eben wie eine Woge des Lachens mich vollständig

                mit Gelächter und Hohn überspülen sollte. Erwäge aber, was ich im
                Begriffe bin zu sprechen. – Sprich, sagte er. – Woferne nicht, sprach ich,
                entweder die Weisheitsliebenden in den Staaten als Könige herrschen,
                oder die jetzt sogenannten Könige und Herrscher in ächter und





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