Page 210 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Plato vollständig zugeben, daß alle qualitativen Bestimmungen, welche
wir von den Dingen aussprechen, durchaus relativ seien, und daß, was
wir schön, gerecht, groß, schwer u. s. f. nennen, wirklich von einer
anderen Seite betrachtet zugleich auch häßlich, ungerecht, klein, leicht u.
s. f. genannt werden könne, so ist es doch gewiß unlogisch, wenn Plato
nun von diesen Qualitäten flugs auf die Substanz, auf die individuelle
Wesenheit der Dinge überspringt und in seiner Weltschmerzlichkeit zu
dem Resultate kömmt, daß außerhalb der Ideenwelt in der Erscheinung z.
B. ein Mensch nicht in höherem Grade Mensch sei, als er auch Nicht-
Mensch sein könne, und z. B. ein Gesetz ebenso gut Nicht-Gesetz wie
Gesetz sein könne; denn, wie gesagt, darüber rechten wir mit Plato nun
nicht mehr, daß ein Mensch zugleich einerseits schön und andrerseits
häßlich, und ein Gesetz zugleich gerecht und ungerecht sein könne, aber
jenes wenigstens steht uns fest, daß ein Mensch Mensch, und daß ein
Gesetz Gesetz ist. Eine solche Schlußfolgerung, welche von Qualitäten
in frivolster Weise auf die Substanz überspringt, nennt wohl schwerlich
irgend Jemand eine philosophische Deduction, und gröbere Verstöße, als
derartige, kann wohl ein »Philosoph« in seinem Fache schwerlich
begehen. Vgl. m. Anm. 16 u. 17 z. Phädon. – Jenen zwitterhaften Dingen
also, sagte er, wie wir sie bei Gastmählern vorbringen, gleichen sie, oder
auch jenem Kinder-Räthsel von dem Wurfe eines Verschnittenen auf eine
Fledermaus, mit welchem Dinge er sie dem Räthsel zufolge getroffen
habe, und worauf sie dabei gesessen seiJenes Räthsel, welches bei den
Alten öfters angeführt wird, lautetete: »Ein Mann und auch nicht ein
Mann sah einen Vogel und auch nicht einen Vogel auf einem Holze und
auch nicht auf einem Holze sitzen, und warf ihn mit einem Steine und
auch nicht mit einem Steine. Was ist dieß?« Die Auflösung lautet. »Ein
Verschnittener sah eine Fledermaus auf einem Rohrstengel sitzen und
warf auf sie mit einem Bimssteine«. – Daß es üblich war, derlei Räthsel
bei Gastgelagen sich gegenseitig aufzugeben, ist bekannt.; denn
zwitterhaft sind auch sie, und von keinem derselben kann man weder das
Sein noch das Nichtsein, nemlich weder beides noch keines von beiden,
irgend in fester Weise denken. – Weißt du also, sagte ich, was du mit
ihnen anfangen müssest, und kannst du ihnen eine trefflichere Stellung
anweisen, als jene zwischen dem Sein und dem Nichtsein? denn weder
dunkler als das Nichtseiende zeigen sie sich, so daß sie etwa in noch
höherem Grade ein Nichtseiendes sein könnten, noch auch heller als das
Seiende, so daß sie in noch höherem Grade ein Seiendes wären. – Völlig
wahr ist dieß, sagte er. – Wir haben also gefunden, wie es scheint, daß
jene vielen geltenden Annahmen der großen Menge betreffs des Schönen
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