Page 216 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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kleinen Punkte summiren, am Schlusse der Begründungen ein großer
Irrthum und ein Widerspruch gegen den Ausgangspunkt zu Tag trete,
und daß, sowie beim Brettspiele von den hierin Gewandten die nicht
Gewandten zuletzt eingeschlossen werden und keinen Zug mehr machen
können, so auch sie zuletzt eingeschlossen werden und kein Wort mehr
vorbringen können in Folge dieses anderweitigen, nicht in Steinen,
sondern in Reden bestehenden Brettspieles, während ja doch das Wahre
deswegen durchaus nicht ihn höherem Grade sich so verhalte. Ich sage
dieß aber im Hinblicke auf unsere gegenwärtige Untersuchung; nemlich
jetzt könnte Jemand sagen, er könne bezüglich der Begründung bei jeder
einzelnen Frage durchaus dir nicht entgegentreten, aber bezüglich der
Wirklichkeit sehe er eben, daß von all denjenigen, welche zur
Weisheitsliebe sich wendeten und nicht etwa, nachdem sie bloß um der
Bildung willen in ihrer Jugend sie betrieben, sie wieder aufgeben,
sondern längere Zeit in ihr verweilten, bei weitem die Meisten gar
abenteuerliche, um nicht zu sagen, ganz schlechte Menschen werden.
und jenen, welche noch die Tüchtigsten unter ihnen zu sein scheinen, in
Folge der von dir gepriesenen Thätigkeit wenigstens dieß widerfährt, daß
sie für die Staaten unbrauchbar werden. – Und als ich dieß hörte, sagte
ich: Glaubst du also, daß diese die Unwahrheit sprechen? – Ich weiß es
nicht, sagte er; hingegen möchte ich gerne deine Ansicht hierüber hören.
– Dann magst du hören, daß sie mir wenigstens die Wahrheit zu sprechen
scheinen. – Wie also, sagte er, kann es dann richtig sein, zu sagen, daß
nicht eher die Staaten von ihren Uebeln werden befreit werden, bis nicht
die Weisheitsliebenden in ihnen herrschen, von welchen wir doch
zugestehen, daß sie für sie unbrauchbar seien? – Du stellst hiemit, sprach
ich, eine Frage, welche einer bildlich ausgesprochenen Antwort bedarf. –
Du bist aber ja, erwiederte er, doch sonst nicht, wie es scheint, gewöhnt,
in Bildern zu sprechen. –
4. Gut, sagte ich; du spottest, weil du mich in eine so schwer
nachzuweisende Begründung gestürzt hast, so höre aber nun auch jenes
Bild, damit du noch mehr einsehest, wie sparsam ich mit Bildern sei. So
schwierig nemlich ist der Zustand jener Tüchtigsten, in welchem sie sich
den Staaten gegenüber befinden, daß es gar nicht einmal ein einzelnes
anderes Ding gibt, welches in einem derartigen Zustande wäre, sondern
man aus gar vielen Dingen das Bild zusammenstellen und so die
Vertheidigung jener führen muß, wie ja auch die Maler BockhirscheDie
Darstellung des Bockhirsches findet sich in der griechischen
ornamentalen Kunst auf Vasen häufig, und sie ist wohl ursprünglich aus
dem Orient und der dort üblichen Kunst-Weberei zu den Griechen
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