Page 222 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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anderen gemeinsamen Zusammenkunft der Menge, und sie dann mit
                vielem Lärmen das Eine von jenem, was gesprochen oder gethan wird,
                tadeln und das Andere loben, nach beiden Seiten mit Uebertreibung und

                Geschrei und Poltern, und außerdem auch die FelsenD. h. die Felsen auf
                der Pnyx, dem Orte der Volksversammlungen in Athen. und der Ort, an
                welchem sie sich befinden, erdröhnen und den Lärm des Tadels und
                Lobes verdoppeln. In solcher Umgebung demnach, wie glaubst du, daß
                es da, nach dem gewöhnlichen Ausdrucke, in der Herzkammer des
                Jünglinges aussehen werde, oder von welcher Einzelerziehung glaubst
                du, daß sie ihm ein Gegengewicht halten werde, ohne daß sie durch

                derartigen Tadel oder Lob überspült und im Strudel dorthin fortgerissen
                werde, wohin eben dieser seine Richtung nimmt? und daß er also wohl
                das Nemliche, wie jene, als schön und als schimpflich bezeichnen, und
                das Nemliche, wie jene, betreiben, und überhaupt ein ihnen gleicher sein
                werde? – Ja, eine arge Nothwendigkeit, o Sokrates, sagte er, ist dieß. –
                     7. Und doch, erwiederte ich, haben wir die ärgste Nothwendigkeit

                noch nicht ausgesprochen. – Welche ist dieß? sagte er. – Jene, welche
                diese Erzieher und Sophisten noch durch die That dem Worte
                hinzufügen, falls sie mit diesem Jemanden nicht überreden; oder weißt
                du nicht, daß sie denjenigen, welcher sich nicht überreden läßt, durch
                Ehren, Geld und Todes-Strafen züchtigen? – Ja wohl, gar sehr, sagte er. –
                Von welchem anderen einzelnen Sophisten oder von welchen zerstreut
                vorkommenden Reden glaubst du nun, daß sie diesen entgegenstrebend

                die Oberhand gewinnen werden? – Wohl von keinem glaube ich es, sagte
                er. – Allerdings nicht, sprach ich; denn auch der bloße Versuch schon ist
                eine große Thorheit; denn weder ist es der Fall, noch war es der Fall,
                noch wird es je der Fall sein, daß ein Gemüth bezüglich der
                Vortrefflichkeit irgend sich ändern lasse, insoferne es im Widerspruche
                mit der Erziehungsweise Jener erzogen würde, nemlich ein

                menschliches, mein Freund; ein göttliches jedoch wollen wir nach dem
                Sprüchworte von diesem Ausspruche ausnehmen; denn wir müssen wohl
                wissen, daß wenn es gerettet wird und in der derartigen Einrichtung der
                Staaten ein Derartiges wird, wie es sein soll, du nicht Unrecht haben
                wirst, wenn du sagst, ein Antheil eines Gottes habe es gerettet. – Auch
                mir, sagte er, scheint es nicht anders zu sein. – Ferner demnach, sprach
                ich, möge zu diesem auch noch Folgendes deine Zustimmung finden. –

                Was denn wohl? – Daß jeder von jenen um Lohn arbeitenden
                vereinzelten Leuten, welche von jenen als Sophisten bezeichnet und für
                Kunstnebenbuhler gehalten werden, nichts Anderes lehrt, als eben die
                Ansichten der Menge, welche sie hegt, wenn sie beisammen sitzt, und





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