Page 226 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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schmähen, daß ihre Anhänger theils ohne Werth, theils aber ihrer
                größeren Zahl nach an vielem Schlechten Schuld seien. – Es ist ja auch,
                sagte er, wenigstens was angeführt wird, wirklich dieß. – Ja, und aus

                guten Gründen, erwiederte ich, wird dieß angeführt; denn es erblicken
                hinwiederum irgend andere Menschlein, daß jener Platz leer geworden,
                dabei aber voll herrlicher Worte und Vorwände sei, und wie diejenigen,
                welche aus dem Kerker entlaufend in Tempel sich flüchten, so hüpfen
                auch diese gar bereitwillig aus ihren Kunstfertigkeiten in die
                Weisheitsliebe hinüber, nemlich gerade jene, welche in ihrem eigenen
                Künstlein immer die feinsten sindDaß Plato mit den sämmtlichen

                derartigen Bemerkungen jene Rede-Künstler meint, von welchen auch
                im »Phädrus« (Cap. 50 f.) die Rede ist, versteht sich von selbst.; denn
                dennoch bleibt ja im Vergleiche mit den übrigen Künsten die Geltung der
                Weisheitsliebe, wenn gleich es mit ihr so schlimm steht, immerhin eine
                großartigere, und hiernach eben streben viele, sind aber dabei in ihrer
                Begabung ohne allen Keim, durch den Betrieb aber ihrer Künste und

                Handwerksthätigkeit ebensosehr, wie sie körperlich verkümmert sind,
                auch in ihren Seelen gebrochen und aufgerieben in Folge ihrer niedrigen
                Beschäftigung; oder muß dieß nicht nothwendig so sein? – Ja wohl, gar
                sehr, sagte er. – Glaubst du also, sprach ich, daß sie sich ihrem Anblicke
                nach von einem kahlen und unansehnlichen Schmidgesellen
                unterscheiden, welcher irgend zu Geld gekommen ist und erst kürzlich
                aus dem Gefängnisse sich auslöste, in einem Bade dann sich wusch und

                ein neues Kleid anzog, angethan wie ein Bräutigam, indem er im
                Begriffe ist, die Tochter seines Herrn wegen ihrer Armuth und
                Verlassenheit zu heirathen? – Nicht sehr, sagte er, unterscheidet er sich
                von einem Solchen. – Welche Sprößlinge also ist zu erwarten, daß die
                Derartigen erzeugen werden? nicht sicher unechte und schlechte? – Ja,
                durchaus nothwendiger Weise. – Wie aber ist es mit jenen, welche der

                Bildung unwürdig sind, sobald sie derselben sich nähern und
                unverdienter Weise mit ihr Umgang pflegen? welcherlei Gedanken und
                Meinungen sollen wir von diesen sagen, daß sie erzeugen? nicht in
                Wahrheit solche, welche gebührender Weise als sophistische Reden sich
                hören lassen, aber durchaus nichts Aechtes und Nichts, was in würdiger
                Weise an wahrhaftes Nachdenken sich anreihen könnte? – Ja, völlig so,
                sagte er. –

                     10. Also ein ganz kleiner Theil, o Adeimantos, sprach ich, bleibt von
                denjenigen übrig, welche in verdienter Weise mit der Weisheitsliebe
                Umgang pflegen, sei es, daß irgend durch Verbannung ein edler und
                wohlerzogener Charakter betroffen wird, indem er dann aus Mangel an





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