Page 228 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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hat; denn in einem Staate, welcher ihm wirklich gebührt, wird er sowohl
selbst besser gedeihen, als auch mit seinen Einzel-Verhältnissen zugleich
das Gemeinsame retten.
11. Was also nun die Weisheitsliebe betrifft, so scheint mir hiemit
genügend angegeben zu sein, warum sie ein Gegenstand der
Verleumdung wurde, sowie auch, daß dieß mit Unrecht geschah, woferne
nemlich nicht du noch irgend Weiteres vorbringst. – Aber ich bringe
auch, sagte er, in der That hierüber Nichts mehr vor; hingegen welche
unter den jetzigen Staatsverfassungen meinst du denn unter jener
gebührenden? – Nicht eine einzige, erwiederte ich, sondern eben hierin
erblicke ich die Schuld, weil keine unter den jetzigen Einrichtungen
eines Staates der weisheitsliebenden Begabung würdig ist; daß nemlich
darum auch diese verdreht und verändert werde, sowie ein fremder Same
in ein anderes Land gesät dahinschwindet und durch Ueberwältigung in
die dort heimische Art überzugehen pflegt, und daß ebenso auch jene
Gattung die ihr eigenthümliche Geltung nicht behaupten kann, sondern
in eine fremde Art umschlägt; sobald sie hingegen auf den besten Staat
trifft, so wird sie dann, sowie sie auch selbst die beste ist, sogleich
zeigen, daß Solches wirklich etwas Göttliches, alles Uebrige aber nur
menschlich ist, sowohl was die Begabungen, als auch was die
Thätigkeiten betrifft. Klar also ist, daß du nun hernach fragen wirst,
welcher denn dieser Staat sei. – Da irrst du, sagte er; denn nicht um dieß
zu fragen, war ich im Begriffe, sondern ob jener Staat, welchen wir
bisher in unserer Gründung durchgingen, es sei, oder ob ein anderer. – In
allem Uebrigen, sagte ich, ist es schon dieser; aber eben jenes wurde
auch damals schon angegeben B. III, Cap. 19 f., daß irgend Etwas in
jenem Staate stets sich befinden müsse, was eben jenen nemlichen
Begriff des Staates besitze, welchen auch du als Gesetzgeber besaßest,
indem du deine Gesetze aufstelltest. – Ja, dieß wurde angegeben, sagte
er. – Aber nicht genügend, sprach ich, wurde es damals klar gemacht, aus
Furcht vor jenen eueren Angriffen, durch welche ihr kundgabt, daß der
Nachweis hievon ein langer und schwieriger sei, da ja auch das noch
Uebrige nicht gerade am leichtesten durchgegangen werden kann. – Was
meinst du hiemit? – Auf welche Weise ein Staat die Weisheitsliebe in
seine Hand nehmen müsse, um sie nicht zu verderben; denn alles Große
ja ist dem Sturze ausgesetzt, und es ist wirklich, wie es im Sprüchworte
heißt, »das Schöne schwierig«Nicht bloß in mehreren Aussprüchen der
sog. sieben Weisen erscheint der Inhalt dieses Sprüchwortes, sondern
auch in einem Gedichte des Simonides.. – Demnach aber, sagte er, möge
unser Nachweis seinen Abschluß finden, wenn dieß deutlich geworden
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