Page 229 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ist. – Nicht daß ich nicht wollte, erwiederte ich, sondern allenfalls daß
                ich nicht kann; ist das einzige Hinderniß; du sollst aber hier sogleich
                meine Bereitwilligkeit erfahren; erwäge aber auch jetzt, wie bereitwillig

                und aller Gefahr mich aussetzend ich es aussprechen will, daß gerade im
                Gegensatze gegen die jetzige Weise ein Staat diese Thätigkeit aufgreifen
                müsse. – Wie so? – Jetzt nemlich, sagte ich, pflegen jene Jünglinge,
                welche diese Thätigkeit überhaupt ergreifen, sogleich noch als Knaben
                mitten unter häuslichen und Geld-Geschäften sich dem schwierigsten
                Theile derselben zu nähern und hierauf sogleich die Sache wieder
                aufzugeben (ich meine aber unter dem Schwierigsten dasjenige, was das

                Aussprechen der Begründungen betrifft); in der späteren Zeit aber, wenn
                sie etwa auch auf die Anforderung Anderer, welche solches betreiben,
                die bloßen Zuhörer derselben werden wollen, so halten sie dieß schon für
                etwas Großes, weil sie der Meinung sind, man dürfe nur nebenbei es
                betreiben; näher gegen das Greisenalter aber pflegen sie, mit Ausnahme
                einiger Weniger, zu verlöschen, und zwar noch mehr als die

                Heraklitische SonneS. m. Uebers. d. gr. Phil. S. 29., insoweit sie nemlich
                nicht wieder entbrennen. – Wie aber muß man es anders angreifen? sagte
                er. – Ganz im Gegentheile hievon sollen sie, so lange sie noch Jünglinge
                und Knaben sind, auch eine bloß für Jünglinge passende Bildung und
                Weisheitsliebe zur Hand nehmen, und für ihren Körper, während er sich
                entwickelt und heranreift, sehr gut sorgen, indem sie hiedurch einen
                Beistand für ihre Weisheitsliebe sich erwerben; im weiteren

                Fortschreiten aber jenes Alters, in welchem die Seele sich zu vollenden
                beginnt, sollen sie die Uebungen eben jener stärker anspannen; wann
                aber die Körperstärke bereits nachläßt und sie der staatlichen Thätigkeit
                und der Feldzüge überhoben sind, dann sollen sie ihr freie Nahrung
                lassen und nichts Anderes, außer höchstens nebenbei, betreiben, woferne
                sie glücklich leben und nach ihrem Tode das vollbrachte Leben mit dem

                geziemenden jenseitigen Loose krönen wollen. –
                     12. Wie wahr scheint es mir doch zu sein, sagte er, daß du allerdings
                bereitwillig sprichst, o Sokrates; ich glaube jedoch, daß die Meisten von
                den dieß Hörenden noch bereitwilliger dir entgegenarbeiten und in
                keinerlei Weise überzeugt sein werden, vom Thrasymachos vor Allem
                angefangen. – Entzweie doch nicht, sagte ich, mich und den
                Thrasymachos, die wir so eben erst Freunde geworden sind und ja auch

                vorher keine Feinde gewesen waren; denn wir werden mit dem
                Versuchen nicht nachlassen, bis wir entweder ihn und alle Uebrigen
                überzeugt, oder wenigstens irgend Etwas für jenes Leben gefördert
                haben, wann sie zum zweitenmale geborenS. unten B. X, Cap. 15 f. u.





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