Page 295 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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8. Aber von dem ihr ähnlichen Menschen wollen wir nun hiernach
                erwägen, sowohl wie er entstehe, als auch wie beschaffen, wenn er
                entstanden, er sei. – Ja, allerdings, sagte er. – Wird er also wohl in

                folgender Weise zumeist aus jenem timokratischen Menschen in einen
                oligarchischen umschlagen? – In welcher? – Wann ihm nemlich ein Sohn
                geboren wird und dieser vorerst seinem Vater nacheifert und die Spuren
                desselben verfolgt, dann aber plötzlich sieht, wie er an einer Felsenklippe
                an dem Staate strandete und all seine Habe und sich selbst über Bord
                warf, nachdem er entweder eine Feldherrnwürde oder ein anderes
                bedeutendes Amt geführt hatte, und dann dem Gerichtshofe anheimfiel,

                wo er, von Verleumdern benachtheiligt, entweder zum Tode oder zur
                Verbannung oder zum Verluste seiner Bürgerrechte und des gesammten
                Vermögens verurtheilt wurde. – Ja, so scheint es, sagte er. – Nachdem er
                aber dieß, mein Freund, gesehen und erduldet und seine Habe verloren
                hat, wird er aus Furcht, glaube ich, sogleich kopfüber von dem in seiner
                Seele befindlichen Throne die Ehrliebe und jenes Muthige herabstoßen,

                und erniedrigt durch Armuth sich zum Gelderwerbe wenden und in
                filziger Weise und mit kleinlicher Sparsamkeit und Arbeitsamkeit sich
                Geld sammeln. Glaubst du etwa nicht, daß dann der Derartige auf jenen
                Thron das begehrliche und Geldliebende setzen und es in sich selbst zum
                GroßkönigeGewöhnliche Bezeichnung des Perser-Königes. machen
                wird, es mit Stirnbinde und goldener Kette und Schwert umgürtend? –
                Ja, gewiß, sagte er. – Das Vernünftige aber und das Muthige wird er auf

                den Boden zu beiden Seiten unter dasselbe setzen und, indem er die
                beiden knechtet, wird er das Eine derselben nichts Anderes vernünftig
                betrachten und erwägen lassen, als durch welche Mittel aus kleinerem
                Vermögen ein größeres werde, das Andere aber nichts Anderes, als den
                Reichthum und die Reichen bewundern lassen, und in nichts Anderes
                seine Ehre setzen, als in den Geldbesitz und wenn irgend sonst Etwas

                eben dahin führt. – Es gibt, sagte er, keine andere so schnelle und
                mächtige Veränderung eines ehrliebenden Jünglinges in einen
                geldliebenden. – Ist also dieser, sprach ich, ein oligarchischer? – Seine
                Veränderung wenigstens ging aus einem Manne vor sich, welcher jenem
                Staate ähnlich war, aus dem die Oligarchie hervortrat. – Wollen wir
                demnach erwägen, ob er nun ihr ähnlich sei. – Ja, wir wollen dieß
                erwägen. –

                     9. Nicht wahr also, erstens darin, daß er das Geld am höchsten
                schätzt, dürfte er ihr ähnlich sein? – Wie sollte er auch nicht? – Und ja
                auch darin, daß er sparsam und arbeitsam ist, indem er unter seinen
                Begierden nur die nothwendigen befriedigt, weiteren Aufwand aber nicht





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