Page 299 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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erhalten braucht um krank zu werden, bisweilen aber auch ohne die
                äußeren Dinge selbst in sich selbst zerrüttet wird, ebenso wird nun auch
                ein Staat, welcher in einem diesem entsprechenden Zustande ist, durch

                eine geringe Veranlassung, wenn von Außen her entweder die Eine
                Partei aus einem oligarchischen Staate oder die andere aus einem
                demokratischen Bundesgenossenschaft herbeiführt, sofort erkranken und
                gegen sich selbst kämpfen, zuweilen aber auch ohne die äußeren
                Ereignisse in sich in Zwiespalt sein. – Ja wohl, gar sehr. – Eine
                Demokratie demnach, glaube ich, entsteht, wenn die Armen den Sieg
                über die Anderen davon tragen und die Einen derselben tödten, Andere

                verbannen, und allen Uebrigen nach gleichen Theilen am Staate und an
                den Ausübungen der Herrschaft Antheil geben, und daher zumeist durch
                das Loos die Beamtungen in dem Staate eintreten. – Es ist auch wirklich,
                sagte er, dieß die Herstellung einer Demokratie, mag sie durch
                Waffengewalt vor sich gehen, oder in Folge der Furcht, da die Uebrigen
                selbst vom Platze weichen. –

                     11. Auf welche Art und Weise denn nun, sagte ich, leben diese im
                Staate, und wie wird hinwiederum diese Staatsverfassung beschaffen
                sein? denn klar ist, daß in eben solcher Beschaffenheit sich uns der
                demokratische Mensch zeigen wird. – Ja, klar ist dieß, sagte er. – Nicht
                wahr also, erstens sind sie frei, und von Freiheit im Handeln und von
                Redefreiheit ist der ganze Staat erfüllt, und Jeder hat in demselben die
                Unbeschränktheit, zu thun, was er will? – So sagt man ja wenigstens,

                sprach er. – Wo aber diese Unbeschränktheit ist, wird klärlich Jeder eine
                ihm einzeln eigenthümliche Einrichtung seines Lebens treffen, welche
                ihm eben gefällt. – Ja, klärlich. – Menschen aller Art demnach, glaube
                ich, werden zumeist bei dieser Staatsverfassung entstehen. – Wie sollte
                es auch anders sein? – So kömmt es darauf hinaus, daß diese die
                herrlichste von den Staatsverfassungen ist; sowie ein Kleid, welches mit

                allen Farben bunt gefärbt ist, so möchte wohl auch dieser Staat, da er mit
                allen Charakteren gefärbt ist, als der herrlichste sich zeigen. – Warum
                auch nicht? sagte er. – Und wirklich dürften vielleicht auch, sagte ich,
                Viele das Urtheil fällen, er sei der herrlichste, sowie Kinder und Weiber
                beim Anblicke bunter Dinge urtheilen. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. –
                Auch ist es, sprach ich, o du Hochzupreisender, ganz passend, in ihm
                überhaupt eine Staatsverfassung zu suchen. – Wie so? – Weil er ja alle

                Gattungen von Staatsverfassungen in Folge jener Unbeschränktheit in
                sich enthält, und für jenen, welcher einen Staat einrichten will, was ja
                doch wir jetzt thaten, es darauf hinauskömmt, daß er nothwendig in
                einen demokratisch regierten Staat sich begeben und dort die Art und





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