Page 296 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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macht, sondern die übrigen Begierden als eitle unterjocht. – Ja,
                allerdings. – Gewissermaßen schmutzig ja ist er, sagte ich, und indem er
                von Allem sich Gewinn macht, wird er ein Schätze sammelnder Mann,

                und diese ja preist dann auch der große Haufe; oder wäre nicht ein
                Solcher derjenige, welcher dem derartigen Staate ähnlich ist? – Mir
                wenigstens, sagte er, scheint es so; Geld wenigstens steht am meisten in
                Ehren bei einem solchen Staate und bei einem solchen Menschen. –
                Nicht auf Bildung ja, sagte ich, hat ein Solcher, wie ich glaube, seinen
                Sinn gerichtet. – Es scheint wenigstens nicht, sagte er; denn sonst würde
                er nicht einen BlindenAuch Aristophanes hat bekanntlich in seinem

                »Plutos« den Gott des Reichthumes als blind dargestellt. als Führer
                seines Reigens aufstellen. – Und erwäge noch Folgendes, sprach ich,
                sehr genau: Sollen wir nicht behaupten, daß drohnenartige Begierden in
                Folge der Ungebildetheit in ihm entstehen, theils eben bettlerische, theils
                aber die eines Uebelthäters, welche mit Gewalt durch die übrige Sorgfalt
                im Zaume gehalten werden? – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Weißt du

                also, sprach ich, wohin du blicken mußt, um die Uebelthaten derselben
                zu sehen? – Wohin wohl? sagte er. – Auf Vormundschaften über Waisen,
                und wenn ihnen sonst etwas Derartiges sich ergibt, daß sie eine reiche
                Möglichkeit des Unrechtthuns erlangen. – Dieß ist wahr. – Ist also nicht
                hiebei klar, daß der Derartige bei dem übrigen Verkehre, wo er ein
                Gerechter zu sein scheint und in gutem Rufe steht, eben nur durch eine
                ziemlich starke Gewalt über sich selbst andere in ihm befindliche

                Begierden im Zaume hält, nicht durch Ueberredung, daß es so nicht
                besser sei, und nicht durch Beschwichtigung vermittelst eines Grundes,
                sondern nur aus Nothwendigkeit und Furcht, indem er wegen seines
                übrigen Vermögens zittert? – Ja wohl, allerdings, sagte er. – Und bei Gott
                ja, mein Freund, sprach ich, bei den Meisten derselben wirst du finden,
                daß, wenn es sich darum handelt, fremdes Gut aufzuzehren, eben jene

                mit den Drohnen verwandten Begierden in ihnen sind. – Ja wohl, in sehr
                hohem Grade, sagte er. – Wohl nicht ohne Zwiespalt also möchte ein
                Solcher in sich selbst sein, und nicht ein Einer, sondern ein Zweifacher,
                und er möchte wohl Begierden in sich enthalten, welche als die besseren
                zumeist über die schlechteren die Oberhand gewinnen. – Ja, so ist es. –
                Darum demnach, sagte ich, wird der Derartige wohl anständiger als Viele
                sein, aber die wahrhafte Vortrefflichkeit einer einträchtigen und

                harmonisch gestimmten Seele flieht wohl weit von ihm. – So scheint es
                mir. – Und in der That ja auch ein schlechter Wettkämpfer als einzelner
                Mann im Staate ist der Sparsame, wenn es irgend einen Sieg oder sonst
                einen Wetteifer im Schönen gilt, denn er will um des Ruhmes und der





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