Page 305 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 305
der Alleinherrschaft sein? denn daß sie aus der Demokratie umschlägt,
ist so ziemlich klar. – Ja, dieß ist klar. – Entsteht also wohl
gewissermaßen auf die nemliche Weise aus einer Oligarchie eine
Demokratie und aus einer Demokratie eine Gewaltherrschaft? – Wie so?
– Was jene, sagte ich, als das Gut aufstellte und wodurch sie eben zur
Oligarchie wurde, das war das Uebermaß des Reichthumes; oder wie? –
Ja. – Die Unersättlichkeit im Reichthume demnach und die
Vernachlässigung des Uebrigen richtete in Folge des Gelderwerbes jene
Staatsverfassung zu Grunde? – Dieß ist wahr, sagte er. – Wird also auch
in jenem, was die Demokratie als ihr Gut bezeichnet, eben die
Unersättlichkeit nun diese zur Auflösung bringen? – Was aber meinst du
hiemit, daß sie als Gut bezeichne? – Die Freiheit, sagte ich; denn von ihr
doch wohl möchtest du in einem demokratisch regierten Staate stets
hören, daß sie am herrlichsten sich verhalte, und daß es um derentwillen
allein in diesem Staate zu wohnen sich für jeden lohne, der von Natur
aus frei sei. – Ja, so sagt man wenigstens, sprach er, und ein gar häufiges
ist dieses Wort. – Wird also nun, sagte ich, was ich ja so eben
auszusprechen im Begriffe war, die Unersättlichkeit in dem Derartigen
und die Vernachlässigung des Uebrigen auch diese Staatsverfassung zu
einer Aenderung bringen und es herbeiführen, daß sie der
Gewaltherrschaft bedarf? – Wie so? sagte er. – Wenn, glaube ich, ein
demokratisch regierter Staat nach Freiheit dürstend schlechte
Mundschenken als Vorsteher bekömmt und weit über das richtige Maß
hinaus an untermischter Freiheit sich berauscht, dann wird er wohl seine
Herrscher, falls dieselben nicht sehr sanftmüthig sind und ein großes
Maß von Freiheit gestatten, zur Strafe ziehen, sie als Verbrecher und
oligarchisch Gesinnte anschuldigend. – So machen sie es wenigstens,
sagte er. – Jene aber, sprach ich, welche den Herrschern gehorsam sind,
wird er als sklavisch Gesinnte und Nichtswürdige beschimpfen, die
Herrscher aber in gleicher Weise wie die Beherrschten und die
Beherrschten in gleicher Weise wie die Herrscher im Einzeln-Verkehre
und in staatlichen Dingen loben und ehren. Muß es also nicht
nothwendig in einem derartigen Staate bis zu jedem möglichen Grade
der Freiheit kommen? – Wie sollte es auch anders sein? – Und daß also
auch, mein Freund, sagte ich, diese Unordnung sich in die Wohnungen
der Einzelnen hineinzieht und zuletzt selbst in die Natur der Thiere sich
einpflanzt? – Wie meinen wir, sagte er, dieß letztere? – Wie z. B.,
erwiederte ich, daß der Vater sich gewöhnt, dem Kinde gleich zu werden,
und vor seinen Söhnen sich fürchtet, die Söhne aber dem Vater gleich
und weder Scham noch Scheu vor den Eltern haben, damit man eben frei
304