Page 307 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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werden und es nicht ertragen; denn du weißt doch gewiß, daß sie zuletzt
                auch um die Gesetze, seien es geschriebene oder ungeschriebene, sich
                nicht bekümmern, nur damit in keiner Weise irgend Jemand über sie

                Herr sei. – Ja wohl, sagte er, gar sehr weiß ich es. –
                     15. Dieß demnach, mein Freund, sagte ich, ist der so herrliche und
                jugendlich übersprudelnde Anfang, aus welchem die Gewaltherrschaft
                erwächst; wie mir wenigstens scheint. – Ja wohl, ein jugendlich
                übersprudelnder, sagte er; aber was ist es, das hernach kömmt? – Jene
                nemliche Krankheit, sprach ich, welche in der Oligarchie eintrat und sie
                zu Grunde richtete, tritt auch in diesem Staate in größerer Menge und mit

                mehr Macht in Folge der Unbeschränktheit ein und knechtet so die
                Demokratie; und in Wahrheit ja pflegt das Uebermaß eines Thuns den
                Umschlag in das Gegentheil herbeizuführen, sowohl in den Jahreszeiten
                und in den Pflanzen und in den Körpern, als auch denn nun in den
                Staaten in einem nicht geringeren Grade. – Aus guten Gründen, sagte er.
                – Nemlich das Uebermaß der Freiheit scheint in nichts Anderes als in ein

                Uebermaß der Sklaverei umzuschlagen, sowohl für den Einzelnen, als
                auch für einen Staat. – Allerdings scheint es so. – Wahrscheinlich
                demnach, sagte ich, wird nicht aus einer anderen Staatsverfassung die
                Alleinherrschaft hergestellt, als aus der Demokratie, nemlich, glaube ich,
                aus der äußersten Freiheit eben die höchste und härteste Sklaverei. –
                Allerdings, sagte er, hat es seinen Grund. – Aber nicht darum ja, sprach
                ich, fragtest du, wie ich glaube, sondern welcherlei Krankheit es sei,

                welche in der Oligarchie hervorsprosse und als die nemliche nun auch in
                der Demokratie entstehe und die Knechtung derselben herbeiführe. – Es
                ist wahr, was du sprichst, sagte er. – Nemlich jenes Geschlecht ja, sprach
                ich, meinte ich damals, das der thatenlosen und auszehrungssüchtigen
                Männer, wovon das eine das muthigste ist und vorangeht, das andere
                aber das unmännlichste ist und nachfolgt, jene Männer, welche wir oben

                mit den Drohnen verglichen, deren die einen Stacheln haben, die anderen
                aber ohne Stachel sind. – Ja, und zwar mit Recht meintest du diese, sagte
                er. – Diese beiden denn nun, sprach ich, verursachen in jeder
                Staatsverfassung, sobald sie entstehen, Verwirrung, wie Schleim und
                Galle im KörperSchleim und Galle erscheinen auch in der Pathologie des
                Hippokrates als die materiellen Ursachen der Krankheit.; und vor diesen
                beiden ja muß sich der gute Arzt und Gesetzgeber eines Staates nicht

                weniger als ein weiser Bienenzüchter schon von Weitem in Acht
                nehmen, vor Allem, daß sie von vorneherein sich nicht einfinden, und
                sodann, wenn sie sich doch eingefunden, daß sie so schleunig als







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