Page 309 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 309
auf ihnen, auch wenn sie gar kein Verlangen nach Neuerung haben,
haften, als stellten sie dem Volke nach und seien oligarchisch gesinnt. –
Wie sollte es anders sein? – Nicht wahr also, zuletzt, wenn sie sehen, daß
das Volk nicht freiwillig sondern aus Unkenntnis und durch Verleumder
getäuscht ihnen Unrecht zu thun versuchte, werden sie dann erst
wirklich, mögen sie wollen oder nicht, oligarchisch gesinnt werden, nicht
freiwillig, sondern eben dieses Uebel hat jene Drohne, indem sie
dieselben stach, selbst erzeugt. – Ja wohl, gar sehr. – Also gegenseitige
Vorladungen, Urtheilssprüche und Gerichtsverhandlungen stellen sich
nun ein. – Nicht wahr also, irgend Einen pflegt stets das Volk in
hervorragender Weise zu seinem Vorsteher zu machen, und diesen groß
zu ziehen und zu fördern? – Ja, dieß pflegt es zu thun. – Dieß also, sagte
ich, ist nun klar, daß, wenn ein Gewaltherrscher hervorsproßt, er aus der
Wurzel einer solchen Vorsteherschaft und nirgend andersher
hervorkeimt? – Ja, sehr klar ist dieß. – Welches also ist nun der Anfang
der Verwandlung eines Vorstehers in einen Gewaltherrscher? oder ist
klar, daß dann, wenn der Vorsteher das Nemliche zu verüben beginnt,
wie in dem Mythus betreffs des Heiligthumes des lykäischen Zeus in
ArkadienDer Name des Lykäischen Zeus, dessen Kultus auf dem Berge
Lykaios in Arkadien seinen Sitz hatte, hängt mit dem Mythos zusammen,
welcher den arkadischen König Lykaon betrifft; derselbe hatte fünfzig
Söhne, deren Uebermuth den Zeus bewog, sie zu bestrafen; Zeus
besuchte sie als Gast in dürftiger Gestalt, und als ihm beim Male das
Eingeweide eines geschlachteten Knaben vorgesetzt wurde, tödtete Zeus
den Vater und alle Söhne desselben, oder (nach einer anderen Wendung
der Sage, worauf auch Plato hier hinweist) er verwandelte sie sämmtlich
in Wölfe. Es hat dieser Mythus, welcher auch mit dem Namen der
Oertlichkeit und der Person zusammenhängt (λύκος, der Wolf),
wahrscheinlich wohl nach der einen Seite eine Basis in dem früher in
Griechenland allgemein verbreiteten Bestande von Menschenopfern,
deren allmälige Abschaffung in mannigfachen Sagen hervortritt, noch
mehr aber scheint andrerseits eine hauptsächliche Grundlage des
Lykäischen Zeus jene mythologische Anschauung zu bilden, welche in
den germanisch-nordischen Mythen vom »Werwolfe« erscheint; gerade
auch an den Werwolf knüpft sich als Ursache oder als Folge der
Verwandlung der Genuß von Menschenblut (s. Grimm, deutsche Mythol.
I. Aufl. S. 1048). berichtet wird? – Welcher ist dieß? sagte er. – Daß
Derjenige, welcher menschliches Eingeweide gekostet hat, das unter
jenes anderer Opferthiere hineingeschnitten worden war, nothwendig in
einen Wolf verwandelt werden muß; oder hast du diese Sage nicht
308