Page 317 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Leben, nachdem er aus einem Oligarchischen ein Demokratischer
                geworden. – Ja, dieß war auch und ist noch, sagte er, unsere Meinung
                betreffs des Derartigen. – Stelle dir demnach vor, sagte ich, daß

                hinwiederum von Diesem, wenn er älter geworden, ein junger Sohn da
                ist und in den Sitten desselben auferzogen wurde. – Ja, ich stelle es mir
                vor. – So stelle dir demnach auch vor, daß jenes Nemliche mit ihm, wie
                mit seinem Vater vorgehe, daß er nemlich zu aller Widersetzlichkeit
                hingeleitet werde, welche ja von den ihn Verleitenden sämmtlich als
                Freiheit bezeichnet wird, und daß seinen in der Mitte sich befindenden
                Begierden der Vater und die übrigen Angehörigen zu Hülfe kommen, die

                Anderen aber hinwiederum Gegenhülfe leisten, daß aber jene argen
                Zauberer und Heranbildner von Gewaltherrschern, wenn sie in keiner
                anderen Weise den Jüngling zu fesseln hoffen, es veranstalten, daß sie
                irgend einen Liebesdrang als Vorsteher jener Begierden, welche unthätig
                sind und nur das Bereitliegende verarbeiten, nemlich eben eine
                beflügelte und große Drohne ihm einpflanzen; oder hältst du den

                Liebesdrang solcher Menschen für irgend etwas Anderes? – Nein, für
                nichts Anderes, sagte er, sondern eben für dieß. – Nicht wahr also, wann
                ihn auch die übrigen Begierden nun umsummen, strotzend von
                Räucherwerk und Salben und Kränzen und Wein und überhaupt jenen
                ausgelassenen Vergnügungen solcher Zusammenkünfte, und durch eine
                Steigerung und Pflege bis zum äußersten Grade den Stachel der
                Sehnsucht in jene Drohne einpflanzen, dann wohl umgibt sich dieser

                Vorsteher der Seele in Folge des Wahnsinnes mit einer Leibwache und
                schwärmt wie besessen dahin, und wenn er in sich selbst noch irgend
                einige Ansichten und Begierden trifft, welche als tüchtig gelten und noch
                ein Schamgefühl enthalten, so tödtet er sie und stößt sie außerhalb seiner
                hinaus, bis er sich von Besonnenheit gereinigt, hingegen mit einem von
                Außen herbeigezogenen Wahnsinne erfüllt hat. – Durchaus, sagte er,

                gibst du hiemit die Entstehung eines der Gewaltherrschaft
                entsprechenden Menschen an. – Heißt ja nicht wohl auch, sprach ich,
                eben deswegen schon von Alters her der Liebesdrang ein
                Gewaltherrscher? – Es kömmt darauf hinaus, sagte er. – Nicht wahr also,
                mein Freund, sprach ich, auch der Betrunkene hat gewissermaßen die
                Gesinnung eines Gewaltherrschers? – Ja, er hat sie wirklich. – Der
                Rasende aber und Halbverrückte vergreift sich nicht bloß an Menschen,

                sondern auch an Göttern und hofft, er werde fähig sein, über sie zu
                herrschen. – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Ein der Gewaltherrschaft
                entsprechender Mensch aber wird er, o du hochzupreisender Freund,
                genau dann, wenn er entweder durch seine Begabung oder durch seine





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