Page 321 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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allen möglichen Galten sich als Freunde zu zeigen, wenn sie aber ihren
Zweck durchgesetzt haben, als Fremde. – Ja wohl, gar sehr. – Also ihre
ganze Lebenszeit hindurch leben sie niemals mit Jemandem in
Freundschaft, sondern stets entweder als Herren oder als Knechte eines
Anderen; Freiheit und wahrste Freundschaft aber hat die Begabung eines
Gewaltherrschers noch nie gekostet. – Ja, allerdings noch nie. – Werden
wir also nicht auch mit Recht die Derartigen als unzuverlässig
bezeichnen? – Wie sollten wir auch nicht? – Und nun doch wohl als
Ungerechte im höchsten Grade, woferne wir im Früheren uns in richtiger
Weise über die Gerechtigkeit und deren Beschaffenheit verständigt
haben. – Aber wir haben dieß ja, sagte er, in richtiger Weise. – Wollen
wir demnach, sprach ich, diesen Schlechtesten nun zusammenfassen; er
ist aber hiemit wohl jener, der im Wachen so beschaffen ist, wie wir als
träumend ihn dargestellt hatten Cap. 1.. – Ja, allerdings. – Nicht wahr
also, zu einem Solchen wird derjenige, welcher mit der größten
Begabung eines Gewaltherrschers wirklich als Alleinherrscher auftritt,
und je längere Zeit er in der Gewaltherrschaft lebt, in desto höherem
Grade wird er ein so Beschaffener? – Ja, nothwendig ist es so, sagte
Glaukon, welcher nun das Wort nahm. –
4. Wird also nun, sagte ich, derjenige, welcher als der Schlechteste
sich zeigte, auch als der Unglücklichste sich zeigen? und wird jener,
welcher die längste Zeit und im höchsten Grade Gewaltherrscher ist,
auch im höchsten Grade und die längste Zeit in Wahrheit in solchem
Zustande sein? die Menge hingegen hat freilich eine Menge
verschiedener Ansichten. – Aber nothwendig wenigstens, sagte er, muß
jenes sich so verhalten. – Wird es also anders sein, sprach ich, als daß der
Gewaltherrscher bezüglich einer Aehnlichkeit dem durch
Gewaltherrschaft regierten Staate entspricht und der demokratische
Mensch dem demokratisch regierten, und ebenso auch bei den übrigen?
– Wie sollte es auch anders sein? – Nicht wahr also, was ein Staat im
Vergleiche mit einem anderen Staate bezüglich der Vortrefflichkeit und
des Glücksstandes ist, das ist auch ein Mensch im Vergleiche mit einem
anderen Menschen? – Warum auch nicht? – Wie also verhält sich der
durch Gewaltherrschaft regierte Staat zu dem königlich regierten, wie
wir ihn oben zu Anfang B. IV, Cap. 6 bis z. Schlusse des VII. Buches.
durchgingen? – Gerade entgegengesetzt, sagte er; denn der eine ist der
beste und der andere der schlechteste. – Ich werde dich hiebei nicht
fragen, welchen von beiden du je meinest, denn dieß ist an sich klar, aber
urtheilst du auch betreffs des Glückes oder Unglückes in der nemlichen
oder in anderer Weise? Und lassen wir uns hiebei nicht erschrecken,
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