Page 324 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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entnehme aus dem früher Gesagten, sprach er, daß du Recht habest. – Ja,
                erwiederte ich; aber nicht bloß meinen soll man dergleichen, sondern
                sehr genau es durch eine Begründung folgender Art erwägen; denn die

                Begründung betrifft ja das Größte, nemlich das gute und das schlechte
                Leben. – Völlig richtig, sagte er. – Erwäge demnach, ob wohl einen
                Werth habe, was ich sage; nemlich es scheint mir, als müsse man es
                erkennen, wenn man von Folgendem aus hierüber die Erwägung anstellt.
                – Von welchem aus? – Von einem jeden Einzelnen unter den Leuten aus,
                welche in den Staaten reich sind und viele Sklaven besitzen; denn diese
                haben die Aehnlichkeit mit einem Gewaltherrscher, daß sie über Viele

                herrschen; einen Unterschied aber macht nur die Anzahl derselben. – Ja,
                diese macht allerdings einen Unterschied. – Weißt du also, daß jene
                Leute ohne Angst sind und sich vor ihrem Gesinde nicht fürchten? –
                Warum sollten sie sich auch fürchten? – Allerdings nicht, sagte ich; aber
                bemerkst du auch die Ursache davon? – Ja, weil nemlich der ganze Staat
                einem jeden der Einzelnen zu Hülfe kömmt. – Du gibst dieß richtig an,

                sagte ich; wie aber? wenn irgend Einer der Götter einen einzelnen Mann,
                welcher fünfzig oder mehr Sklaven hat, aus dem Staate entrücken und
                ihn selbst und sein Weib und seine Kinder in eine Wüste versetzen würde
                nebst seiner übrigen Habe und auch dem Gesinde, woselbst Keiner unter
                den Freien ihm je zu Hülfe kommen könnte, in welch großer Furcht
                glaubst du da wohl, daß er sich betreffs seiner selbst und seiner Kinder
                und seines Weibes befinden werde, sie möchten durch das Gesinde ihren

                Untergang finden? – Gewiß in aller möglichen Furcht, sagte er. – Nicht
                wahr also, er wäre wohl bereits genöthigt, Einige seiner Sklaven zu
                hätscheln und ihnen Vieles zu versprechen und ohne Noth sie
                freizulassen, und er selbst würde als ein Schmeichler seiner Diener sich
                zeigen? – Ja, durchaus nothwendig, sagte er, muß er entweder dieß, oder
                er muß zu Grunde gehen. – Wie aber? sprach ich; wenn der Gott auch

                andere rings um ihn als Nachbarn in großer Menge ansiedeln würde,
                welche es nicht duldeten, wenn Jemand über einen Anderen Herr zu sein
                sich erlaubt, sondern jeden Derartigen, dessen sie habhaft würden, mit
                den äußersten Strafen belegten? – Dann, sagte er, würde er noch in
                höherem Grade, glaube ich, vollständig im Unglücke sein, da er rings
                von sämtlichen Feinden bewacht würde. – Ist also nun nicht in derartigen
                Banden der Gewaltherrscher gefesselt, seiner Begabung nach ein

                Solcher, wie wir ihn durchgegangen haben, und dabei von vieler und
                mannigfacher Furcht und Liebesneigung erfüllt; während er aber lüstern
                ist, darf er allein unter allen im Staate Wohnenden weder irgendwohin
                eine Reise machen oder einer Fest-Gesandtschaft sich anschließen,





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