Page 328 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Uebersetzung ersehen, daß ich einerseits einer Vermuthung Graser’s τί
                οιώμεθα statt ποιώμεθα zu lesen, gefolgt bin, und andrerseits durch
                Aenderung der Interpunktion μανθάνοντα; της ηδονης ου πάνυ πόρρω

                καλειν zu helfen suchte).? – Allerdings, sagte er, sollte man dieß sehr
                wohl wissen. –
                     8. Da also demnach, sagte ich, die Vergnügungen und die
                Lebensweise einer jeden jener drei Arten Gegenstand eines Streites sind,
                und zwar nicht in Bezug auf den höheren Grad eines schönen oder
                schimpflichen, noch den eines guten oder schlechten Lebens, sondern
                gerade in Bezug auf den höheren Grad des Vergnüglichen und

                Schmerzlosen, so fragt sich’s, wie wir wohl wissen können, welcher von
                Jenen am meisten Recht habe. – Ich wenigstens, sagte er, bin nicht völlig
                im Stande, es anzugeben. – Aber erwäge es folgendermaßen: Wodurch
                muß man Alles beurtheilen, was richtig beurteilt werden soll? nicht etwa
                durch Erfahrung und durch Verstand und durch begründende Rede? oder
                könnte man einen besseren Maßstab des Urtheiles als diese anführen? –

                Wie sollte man auch? sagte er. – So erwäge denn: Welcher ist unter jenen
                drei Menschen der Erfahrenste in allen von uns angegebenen
                Vergnügungen? Scheint dir der Gewinnliebende bei dem Erlernen des
                Wesens der Wahrheit mehr Erfahrung über das aus dem Wissen fließende
                Vergnügen zu haben, als der Weisheitsliebende über das aus dem Gewinn
                fließende? – Da besteht allerdings, sagte er, ein großer Unterschied; denn
                der Letztere muß nothwendig auch die anderweitigen Vergnügungen von

                Jugend angefangen zu kosten bekommen, hingegen der Gewinnliebende,
                inwieferne er etwa dazu begabt ist, das Seiende zu lernen, muß nicht
                nothwendig die Süßigkeit dieses Vergnügens zu kosten bekommen, oder
                hierin Erfahrung erlangen, ja vielmehr würde ihm dieß, auch wenn er
                hiezu bereitwillig wäre, nicht leicht sein. – Also besteht, sagte ich, ein
                großer Unterschied zwischen dem Gewinnliebenden und dem

                Wahrheitsliebenden in Bezug auf Erfahrung in den beiderseitigen
                Vergnügungen. – Ja, gewiß ein großer. – Wie aber ist es im Vergleiche
                mit dem Ehrliebenden? Wird etwa der Weisheitsliebende unerfahrener in
                dem aus der Ehre fließenden Vergnügen sein, als jener in dem aus der
                Verstandesthätigkeit fließenden? – Aber die Ehre ja, sagte er, folgt
                Sämmtlichen selbst, sobald sie nur in’s Werk setzen, worauf Jeder
                hinstrebt; denn sowohl der Reiche wird von Vielen geehrt, als auch der

                Tapfere und der Weise, so daß seitens der Ehre, wie sie ist, Sämmtliche
                in dem aus ihr fließenden Vergnügen erfahren sind; welcherlei
                Vergnügen hingegen die Anschauung des Seienden enthalte, kann
                unmöglich irgend ein Anderer gekostet haben, als nur der





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