Page 333 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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auch in höherem Grade wirklich erfüllt, als jenes, was mit einem in
geringerem Grade Seienden erfüllt wird und selbst ein in geringerem
Grade Seiendes ist? – Wie sollte es auch nicht so sein? – Wenn es also
etwas Angenehmes ist, mit dem von Natur aus Verwandten erfüllt zu
werden, so wird jenes, was in höherem Grade wirklich und mit Seiendem
erfüllt wird, auch in höherem Grade wirklich und wahrhaftiger eine
Freude durch wahrhaftes Vergnügen erzeugen, hingegen dasjenige, was
an dem in geringerem Grade Seienden Theil nimmt, wird auch in
geringerem Grade wahrhaft und fest erfüllt werden und an einem
unzuverlässigeren und weniger wahren Vergnügen Theil nehmen. – Ja,
höchst nothwendig, sagte er. – Jene also, welche an Verstandesthätigkeit
und Vortrefflichkeit keine Erfahrung haben, sondern stets mit
Schwelgerei und Derartigem verkehren, werden, wie es scheint, nach
Unten und wieder bis zum Mittelpunkte hin bewegt und irren ihr Leben
hindurch in dieser Gegend umher, über diese Stufe hinauf aber zum
wahrhaft oben Seienden blickten sie weder jemals hin, noch wurden sie
je dorthin bewegt, noch auch wurden sie mit dem Seienden wirklich
erfüllt, oder bekamen je ein festes und reines Vergnügen zu kosten,
sondern wie Thiere stets nach Unten blickend und zur Erde und auf volle
Tische hingebeugt weiden sie sich an Fraß und Liebesgenuß, um der
Bereicherung in diesen Dingen willen schlagen und stoßen sie sich
gegenseitig mit eisernen Hörnern und Hufen und tödten sich einander
aus Unersättlichkeit, weil sie nicht mit Seiendem dasjenige, was an ihnen
selbst das Seiende oder dessen Schutzwehr ist, erfüllen. – Durchaus, o
Sokrates, sagte Glaukon, verkündest du hiemit die Lebensweise der
Menge. – Ist es also nun nicht auch nothwendig, daß sie mit
Vergnügungen verkehren, welche mit Schmerzen vermischt sind, mit
Abbildern und Schattenrissen des wahrhaften Vergnügens, welche durch
ihre wechselseitige Lage eine Färbung erhalten, so daß sie nach beiden
Seiten sehr heftig erscheinen und einen rasenden Liebesdrang zu ihnen in
den Unverständigen erzeugen und Gegenstand vieler Kämpfe sind, wie
Stesichoros sagt, daß das Abbild der Helena seitens der vor Troja
Versammelten Gegenstand vieler Kämpfe gewesen sei, in Folge der
Unkenntniß der wahren HelenaUeber Stesichoros s. m. Anm. 38 z.
»Phädrus«. Uebrigens behandelte auch Euripides in seiner »Helena«
diesen Sagen-Stoff derartig, daß Paris nur ein Trugbild der Helena
entführt, und Menelaus seine wirkliche treue Gattin nach zwanzig Jahren
in Aegypten wiedergefunden habe.. – Durchaus nothwendig, sagte er, ist
es, daß Derartiges stattfinde. –
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