Page 330 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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meinst du dieß? – Folgendermaßen, sagte ich, werde ich es ausfindig
machen, es gleichzeitig suchend, während du mir antwortest. – So frage
nur, sagte er. – So sprich denn, erwiderte ich; behaupten wir nicht, daß
Schmerz dem Vergnügen entgegengesetzt sei? – Ja wohl, gar sehr. –
Nicht wahr also, auch daß irgend ein Zustand es sei, sich weder zu
freuen, noch Schmerz zu empfinden? – Ja, gewiß. – Ein Zustand in Mitte
jener beiden, gewissermaßen eine Ruhe der Seele in dieser Beziehung;
oder meinst du dieß nicht in dieser Weise? – Ja, so ist es, sagte er. –
Erinnerst du dich also nicht an die Aussprüche der Kranken, welche sie
thun, wenn sie eben krank sind? – An welche? – Daß es also wirklich
nichts Angenehmeres gebe, als gesund zu sein, hingegen sie selbst, ehe
sie erkrankten, nicht bemerkt hätten, daß jenes das angenehmste sei. – Ja,
ich erinnere mich, sagte er. – Nicht wahr also, auch von denjenigen,
welche von irgend heftigen Schmerzen gequält sind, hörst du den
Ausspruch, daß es nichts Angenehmeres gebe, als das Aufhören der
Schmerzen? – Ja, ich höre ihn. – Und ja auch in vielen anderen
derartigen Fällen, glaube ich, bemerkst du bei den Menschen, daß, wenn
sie Schmerz empfinden, sie eben die Schmerzlosigkeit und die Ruhe vor
solchem als das Angenehmste lobpreisen, nicht aber die Freude. – Dieß
eben, sagte er, ist ihnen dann vielleicht schon ein Angenehmes, und sie
sind es zufrieden, wenn nur Ruhe eintritt. – Also wird auch, sprach ich,
wenn Jemand aufhört, sich zu freuen, diese Ruhe des Vergnügens ihm
schmerzlich sein? – Ja, vielleicht, sagte er. – Also jenes, was wir als ein
Mittleres zwischen beiden bezeichnen, nemlich die Ruhe, ist hiemit
zuweilen beides, sowohl Schmerz, als auch Vergnügen. – So scheint es. –
Ist es nun etwa auch möglich, daß, was keines von beiden ist, beides
werde? – Mir dünkt es nicht möglich. – Und nun ist ja beides, sowohl
das Angenehme, als auch das Schmerzliche, wenn sie in der Seele
entstehen, irgend eine Bewegung, oder etwa nicht? – Ja. – Jenes
hingegen, was weder schmerzlich, noch angenehm ist, zeigte sich uns
dieß nicht so eben als eine Ruhe und als ein Mittleres zwischen diesen? –
Allerdings zeigte es sich so. – Wie kann man also in richtiger Weise die
Schmerzlosigkeit für etwas Angenehmes und die Freudelosigkeit für
etwas Widerwärtiges halten? – Keineswegs wohl. – Also ist es dieß nicht
wirklich, sagte ich, sondern es scheint nur so die Ruhe im Vergleiche mit
dem Schmerzlichen ein Angenehmes und im Vergleiche mit dem
Angenehmen ein Schmerzliches zu sein, und keine von diesen
Erscheinungsweisen ist bezüglich des wahren Wesens des Vergnügens
stichhaltig, sondern eine bloße Vorspiegelung. – Ja, sagte er, wenigstens
wie unsere Begründung andeutet. – So blicke denn nun, sprach ich, auf
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