Page 335 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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nemlich Eine ächte und zwei unächte, so wird der Gewaltherrscher,
                indem er selbst noch über die unächten hinausgeht und dem Gesetze und
                der Vernunft sich entzieht, mit sklavischen und auf die Leibwache

                bezüglichen Vergnügungen verkehren, und es ist hiebei nicht leicht,
                anzugeben, um wie viel eben er hiedurch verkürzt werde, außer etwa in
                folgender Weise. – In welcher? – Von dem Oligarchischen ist der
                Gewaltherrscher in dritterUeber diese Art des Zählens s. oben Anm. 97.
                Entfernung, weil zwischen ihnen noch der Demokratische in Mitte steht.
                – Ja. – Nicht wahr also, auch bezüglich des Vergnügens wäre es im
                Verhältnisse zur Wahrheit nur ein Abbild in dritter Linie, mit welchem er

                im Vergleiche mit dem Oligarchischen verkehrt, woferne das vorhin
                Gesagte wahr ist? – Ja, so ist es. – Der Oligarchische aber ja steht
                hinwiederum gleichfalls in dritter Linie vom Königlichen entfernt, wenn
                wir den Aristokratischen und den Königlichen als EinenS. oben B. VIII,
                Cap. 2 bei Anm. 280. zählen?– Ja, in dritter Linie. – Um ein dreimal
                Dreifaches also ist der Zahl nach der Gewaltherrscher vom wahren

                Vergnügen entfernt. – Ja, so zeigt sich’s. – Also eine Flächenzahl, sagte
                ich, welche der ersteren Längen-Zahl entspricht, ist, wie es scheint, das
                Bild des gewaltherrscherischen Vergnügens selbst. – Ja wohl, gar sehr. –
                Entsprechend aber dann der Potenzirung und der dritten Dimension ist es
                ohnedieß klar, in welchem Abstande er entfernt sei. – Ja, klar ist dieß,
                sagte er, wenigstens dem des Rechnens Kundigen. – Nicht wahr also,
                wenn man es umkehrt und bezüglich der Wahrheit des Vergnügens es bei

                dem Könige angibt, wie weit dieser von dem Gewaltherrscher entfernt
                sei, so wird man durch wirklichen Vollzug jener Vermehrung finden, daß
                Ersterer siebenhundertneunundzwanzigmal angenehmer lebt, der
                Gewaltherrscher hingegen um eben diesen Abstand unglücklicher istWer
                oben bei der sogenannten platonischen Zahl (B. VIII, Cap. 3) von einem
                versteckten Spotte Plato’s gegen derartige Berechnungen sprach, muß

                natürlich hier der gleichen Meinung sein: es ist aber in dem einen Falle
                dieß so verkehrt wie in dem anderen, und was oben, Anm. 284, über den
                Mangel aller äußeren Andeutung eines solchen Spottes oder Scherzes,
                sowie über das wirkliche Vorhandensein einer platonischen Zahlen-
                Mystik gesagt wurde, findet auch hier seine Anwendung. Der Gang der
                Berechnung hier ist folgender: der Gewaltherrscher steht in dritter Linie
                entfernt vom oligarchischen Menschen, dieser gleichfalls in dritter Linie

                vom idealen Herrscher, also die Entfernung zwischen beiden Extremen
                ist = 3 × 3 = 9; das Abbild ihres Glückes und vergnügten Lebens aber ist
                ein FlächenBild, also die Flächenzahl = 9 × 9 = 81; da aber es sich um
                die Geltung und gleichsam den ganzen Gehalt des Lebens handelt, so





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