Page 339 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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schroffer gespannt wird? – Ja wohl, allerdings – Hingegen Ueppigkeit
und Weichlichkeit, werden diese nicht bezüglich einer Schlaffheit und
eines Nachlassens eben dieses Theiles getadelt, wann sie in ihm Feigheit
erzeugen? – Warum auch nicht? – Schmeichelei aber und unfreier Sinn,
werden diese nicht dann getadelt, wenn Jemand eben diesen Theil,
nemlich das Muthige, unter die Herrschaft jenes pöbelhaften Thieres
bringt, und um des Geldes willen und aus solcher Unersättlichkeit ihn
mit Füßen tritt und von Jugend an daran gewöhnt, statt eines Löwen ein
Affe zu werden? – Ja wohl, gar sehr, sagte er. – Warum aber, glaubst du,
bringen niedriger Erwerb und Handarbeit Schande? Werden wir hiefür
einen anderen Grund angeben, als daß Jemand vermöge seiner
natürlichen Begabung die Form des besten in sich als eine schwache
besitzt, so daß er über jene Unthiere in ihm selbst nicht zu herrschen
vermag, sondern ihnen dient, und nur Schmeicheleien gegen sie zu
lernen im Stande istEs mag immerhin die Frage erlaubt sein, ob nicht ein
tüchtiger Handarbeiter, welcher sein Handwerk versteht und ein braver
Mensch ist, dem Staate mehr Nutzen verschaffe, als eine ganze Schaar
von Doctrinären, welche den Staat nach einer psychologischen
Schablone construiren. Auch dürfte nicht völlig klar sein, ob es
»philosophisch« richtig sei, wenn man in Einem Athemzuge von einer
geringen Stufe der »natürlichen Begabung« des Handarbeiters und
zugleich von einer »Schande« spricht, denn wenigstens nach gewöhnlich
menschlichen Vorstellungen ist der Mensch für seine Begabung nicht
verantwortlich (vgl. Anm. 141). Wer an solchen Auswüchsen der
Ansichten des Philosophen, welcher »in die Sonne schauen kann«,
Gefallen findet, kann sich vielleicht auch mit jeder Art von
Unmenschlichkeit befreunden.. – Ja, so scheint es, sagte er. – Nicht wahr
also, damit auch der Derartige durch ein Gleiches wie der Beste
beherrscht werde, sagen wir, er solle ein Sklave desjenigen sein, welcher
der Beste ist und in sich selbst das Göttliche als Herrschendes besitzt,
und zwar indem wir nicht glauben, er müsse zum Schaden des sklavisch
Dienenden beherrscht werden, wie Thrasymachos von den Beherrschten
meinte B. I Cap. 16., sondern daß es für einen Jeden besser sei, durch ein
Göttliches und Verständiges beherrscht zu werden, zumeist wenn er
dasselbe als ein ihm Eigenthümliches in sich selbst besitzt, oder, falls
dieß nicht, wenn es von Außen her sein Vorsteher ist, damit wir Alle
nach Möglichkeit einander gleich und befreundet seien, indem wir durch
Ein und das Nemliche gelenkt werden. – Ja, und mit Recht, sagte er. – Es
drückt ja aber, sprach ich, auch das Gesetz es aus, daß es etwas
Derartiges beabsichtigt, indem es sämtlichen im Staate Befindlichen ein
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