Page 343 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Ausdruck gebraucht, namentlich wo seitens des Schülers alle
                Bereitwilligkeit und Strebsamkeit vorliegt (das entgegengesetzte Extrem
                übertriebener Selbstironie sahen wir oben Anm. 40), und zweitens, wenn

                Glaukon wirklich halb blind ist, lohnt es sich wahrlich nicht der Mühe,
                ihn zu einer Untersuchung beizuziehen, bei welcher der Gefragte doch
                einige Einsicht mitbringen muß.. – Allerdings, sagte er, ist es so; aber in
                deiner Anwesenheit dürfte ich nicht einmal den Muth haben können, es
                auszusprechen, falls sich mir wirklich Etwas zeigen würde, sondern sieh
                du nur selbst. – Willst du also, daß wir die Erwägung von folgendem
                Ausgangspunkte aus in Folge unseres gewöhnlichen Verfahrens

                beginnen? Wir sind nemlich doch wohl gewohnt, irgend Eine einzelne
                Idee betreffs des vielheitlichen Einzelnen, welches immer mit dem
                nemlichen Namen bezeichnet wird, aufzustellenDaß bei Plato’s
                Ideenlehre schon die Bildung eines Wortes zur Entstehung einer Idee
                hinreiche, s. m. Uebers. d. gr. Phil. S. 89.; oder verstehst du dieß nicht? –
                Ja, ich verstehe es. – So wollen wir denn auch jetzt, welches von den

                vielen Dingen du irgend willst, aufstellen; so etwa, wenn dir dieses
                Beispiel gefällt, gibt es ja gewiß viele Stühle und Tische. – Warum auch
                nicht?– Aber Ideen gibt es bezüglich dieser Geräthe nur zwei, nemlich
                Eine ist die des Stuhles, und Eine die des Tisches, – Ja. – Nicht wahr
                also, wir sind auch gewohnt, zu sagen, daß der Verfertiger eines jeden
                dieser beiden Geräthe auf die Idee desselben hinblickt und so der Eine
                Stühle, der Andere aber Tische verfertigt, deren wir uns dann bedienen;

                und so auch bei allem Uebrigen; denn die Idee selbst ja verfertigt Keiner
                der Verfertiger; oder wie? – Nein, in keiner Weise. – Aber sieh zu,
                welchen Namen du wohl folgendem Verfertiger gebest. – Welchem? –
                Demjenigen, welcher Sämmtliches macht, was alle einzelnen
                Handarbeiter machen. – Einen gar gewandten und wundersamen Mann
                meinst du hiemit. – Noch nicht ja, sondern sogleich erst wirst du dieß in

                noch höherem Maße sagen; denn dieser nemliche Handarbeiter ist nicht
                bloß im Stande, sämmtliche Geräthe zu machen, sondern er macht auch
                alle aus der Erde hervorwachsenden Pflanzen und verfertigt alle
                lebenden Wesen, sowohl die übrigen, als auch sich selbst, und zudem
                noch Erde und Himmel und Götter, und Alles, was im Himmel und unter
                der Erde im Hades ist, verfertigt er. – Einen sehr wundersamen
                Tausendkünstler, sagte er, meinst du hiemit. – Du glaubst es etwa nicht?

                sprach ich; und doch sage mir, scheint es dir schlechthin überhaupt
                keinen derartigen Verfertiger zu geben, oder glaubst du, daß er nur in
                gewisser Weise zum Hervorbringer all dieser Wesen geworden sei, in
                gewisser Weise aber hinwiederum auch nicht? oder bemerkst du nicht,





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