Page 334 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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11. Wie aber? muß nicht nothwendig auch betreffs des Muthigen
                Anderweitiges dergleichen eintreten, wenn Jemand nur eben dieses
                verwirklicht, entweder vermittelst des Neides aus Ehrliebe, oder

                vermittelst der Gewalt aus Streitliebe, oder vermittelt des Zornes aus
                Unwillen, indem er dabei eine Sättigung in Ehre und Sieg und Zorn ohne
                Vernunft und Verstand verfolgt? – Ja, Derartiges, sagte er, muß
                nothwendig auch bei diesem der Fall sein. – Wie also nun? sprach ich;
                wollen wir es jetzt getrost aussprechen, daß auch unter den das
                Gewinnliebende und das Streitliebende betreffenden Begierden alle
                diejenigen, welche dem Wissen und der Vernunft folgen und in

                Verbindung mit diesen den Vergnügungen nachstreben und nur die von
                dem verständigen Theile vorgezeichneten Vergnügungen ergreifen, noch
                am meisten wahre ergreifen werden, so weit ihnen Solches überhaupt
                möglich ist, weil sie eben der Wahrheit folgen, und daß sie hiemit auch
                die ihnen eigenthümlichen ergreifen, weil ja, was für ein Jedes das Beste
                ist, diesem auch das Eigenthümlichste ist. – Aber es ist dieß, sagte er, ja

                auch wirklich das ihm Eigenthümlichste. – Wenn also dem
                Weisheitsliebenden die gesammte Seele folgt und nicht in Zwiespalt ist,
                so wird bei jedem einzelnen Theile derselben es der Fall sein, daß er
                sowohl in den übrigen Beziehungen das Seinige thut und hiemit gerecht
                ist, als auch bezüglich der Vergnügungen jeder nur die seinigen und die
                besten und nach Möglichkeit die wahrsten genießt. – Ja wohl, in hohem
                Grade. – Wann aber Einer der anderen Theile die Oberhand hat, so wird

                es der Fall sein, daß er sowohl selbst nicht das ihm eigenthümliche
                Vergnügen findet, als auch die übrigen Theile nöthigt, einem fremden
                und unwahren Vergnügen nachzustreben. – Ja, so ist es, sagte er. – Nicht
                wahr also, dasjenige, was am weitesten von Weisheitsliebe und Vernunft
                entfernt ist, würde wohl am meisten Derartiges thun? – Ja, bei Weitem. –
                Ist aber nicht am weitesten von Vernunft jenes entfernt, was von Gesetz

                und Ordnung am weitesten entfernt ist? – Ja, klärlich. – Zeigten sich uns
                aber nicht als am weitesten entfernt jene Begierden, welche auf
                Liebesdrang und Gewaltherrschaft sich beziehen? – Ja, bei weitem. –
                Am wenigsten aber jene königlichen und ordentlichen? – Ja. – Am
                weitesten also, glaube ich, wird von dem wahren und eigenthümlichen
                Vergnügen der Gewaltherrscher entfernt sein, jener Andere hingegen am
                wenigsten. – Ja, nothwendig. – Also auch am wenigsten angenehm, sagte

                ich, wird der Gewaltherrscher leben, jener König aber am angenehmsten.
                – Ja, durchaus nothwendig ist dieß. – Weißt du also, sagte ich, um wie
                viel der Gewaltherrscher unangenehmer als der König lebt? – Sobald du
                es angibst, sagte er. – Da es drei Vergnügungen sind, wie es scheint,





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