Page 336 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 336
muß der stereometrische Zahlen-Ausdruck gewählt werden, und der
jenem Längen-Abstande und jener FlächenZahl entsprechende Würfel ist
= 9 × 9 × 9 = 729. Daß Plato auch der Ansicht ist, es lasse sich eine
derartige Berechnung gleichsam in chronologischer Beziehung im
Einblicke auf Tage und Jahre u. dgl. durchführen, zeigen die sogleich
folgenden Worte.. – Eine unaussprechlich schöne Berechnung, sagte er,
hast du hiemit vorgebracht bezüglich des Unterschiedes jener beiden
Männer, nemlich des Gerechten und des Ungerechten, was das
Vergnügen und den Schmerz derselben betrifft. – Und in der That, sprach
ich, eine Zahl, welche wahr ist und zu den Verhältnissen des Lebens
derselben gehört, woferne zu denselben auch Tage und Nächte und
Monate und Jahre gehören. – Aber diese gehören ja, sagte er, wirklich zu
denselben. – Nicht wahr also, wenn bezüglich des Vergnügens um so viel
der Gute und Gerechte den Schlechten und Ungerechten übertrifft, so
wird er ihn wohl auch um unaussprechlich Mehreres bezüglich der
Wohlanständigkeit des Lebens und bezüglich der Schönheit und
Vortrefflichkeit übertreffen. – Ja, bei Gott, sagte er, um unaussprechlich
Vieles. –
12. Weiter nun, sagte ich. Nachdem wir bis zu diesem Punkte in
unserer Begründung gekommen sind, wollen wir das zu Anfang Gesagte
B. II, Cap. 2–9, besonders Cap. 4 u. 5., durch welches wir bis hieher
kamen, wieder auffassen. Es wurde nemlich dort die Ansicht angeführt,
gewinnbringend sei das Unrechtthun für jenen, welcher in vollendeter
Weise ungerecht sei, aber gerecht scheine; oder wurde nicht so gesagt? –
Ja, allerdings so. – Jetzt demnach, sagte ich, wollen wir mit dem
Vertreter jener Ansicht sprechen, nachdem wir uns darüber verständigt
haben, welche Geltung ein jedes von beiden, nemlich das Unrechtthun
und die Uebung des Gerechten, besitze. – In welcher Weise? sagte er. –
Indem wir in unserer Begründung ein gleichnißweises Bild der Seele
gestalten, damit, wer jenes sagt, einsehe, was er sage. – Welches Bild?
sprach er. – Eines von jener Art, erwiederte ich, wie der Sage nach vor
Alters Naturgebilde entstanden sein sollen, eine Chimära und eine Scylla
und ein Kerberos, und wie man von zahlreichen anderen sagt, daß viele
Formen zusammengewachsen und Eins geworden seien. – Allerdings
sagt man so. – Gestalte demnach als die Eine Form die eines bunten und
vielköpfigen Thieres, welches ringsum Köpfe von zahmen und von
wilden Thieren hat und die Fähigkeit besitzt, sich zu verwandeln und all
Solches aus sich selbst hervorwachsen zu lassen. – Eines gar gewandten
Bildners Aufgabe ist dieß, sagte er; dennoch aber möge, da die Rede
bildsamer als Wachs und all derartiges ist, es hiemit wirklich gebildet
335