Page 319 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ihnen nehmen, indem er nach Verbrauch seines Anteiles von der
väterlichen Habe zehrt? – Aber wie sollte es auch anders sein? sagte er. –
Wann jene aber ihm dieß nicht gestatten, wird er da nicht erstens es
versuchen, Etwas zu stehlen und seine Eltern zu betrügen? – In jeder
Weise. – Wann er aber dieß nicht kann, so wird er hernach wohl rauben
und Gewalt brauchen. – Ich glaube wohl, sagte er. – Und wenn dann, du
Wunderlicher, der Greis und die alte Frau sich widersetzen und gegen
ihn kämpfen, würde er da wohl sich hüten und dessen sich enthalten,
etwas Gewaltherrscherisches zu verüben? – Allerdings, sagte er, hege ich
für die Eltern eines Derartigen eben keine große Hoffnung. – Aber, bei
Gott, o Adeimantos, scheint es dir nicht, daß ein Solcher um einer erst
kurz gewonnenen Freundin und um einer nicht unentbehrlichen Dirne
willen seine längst vorhandene Freundin und unentbehrliche Mutter, oder
um eines blühenden Jünglings willen, welcher erst kurz sein Geliebter
geworden und nicht unentbehrlich ist, seinen verblühten und
unentbehrlichen greisen Vater, welcher der älteste unter seinen Freunden
ist, sogar den Schlägen preisgeben und unter die Herrschaft jener
Anderen knechten würde, falls er jene unter Ein Dach mit diesen
brächte? – Ja, gewiß, bei Gott, sagte er. – Etwas außerordentlich
Glückseliges ja, sprach ich, scheint es zu sein, einen
gewaltherrscherischen Sohn zu erzeugen. – Doch nicht gar zu sehr, sagte
er. – Wie aber? wenn dann die Habe des Vaters und der Mutter einem
Derartigen nicht mehr ausreicht, aber in ihm der Bienenschwarm der
Vergnügungen bereits in großer Menge sich angesammelt hat, wird er
dann nicht zuerst einmal an der Mauer eines Hauses sich vergreifen, oder
spät des Nachts an dem Kleide eines Vorübergehenden, und hernach
etwa auch einen Tempel rein fegen; und bei all diesem nun werden über
die älteren Ansichten, die er von Kindheit an für das Schöne und das
Schimpfliche als gerecht sich zeigende hatte, jene neuen erst kürzlich aus
der Sklaverei freigelassenen Schildträger des Liebesdranges in
Verbindung mit ihm selbst die Oberhand gewinnen, jene nemlich, welche
vorher nur im Traume beim Schlafen freigelassen wurden, als er selbst
noch unter Leitung der Gesetze und seines Vaters ein demokratischer
Mensch gewesen war; jetzt aber steht er unter der Gewaltherrschaft des
Liebesdranges und wird nun ein Derartiger, wie er vorher selten im
Träumen gewesen war, im Wachen immerwährend sein; und keines
argen Mordes und keines Gegenstandes seiner Eßbegierde und keiner
That überhaupt wird er sich enthalten, sondern nach Art eines
Gewaltherrschers lebt in ihm der Liebesdrang in aller Unordnung und
Gesetzlosigkeit, da er ja der Alleinherrscher ist, und er wird den von ihm
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