Page 402 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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                * * *   das mögen die Andern bedenken. Was kann ferner Einer, der
                einen Blick in diese Reiche der Götter gethan, entweder für herrlich
                halten in den menschlichen Verhältnissen, oder für dauernd Der, welcher
                erkannt hat, was ewig ist, oder für ruhmvoll Derjenige, der sich
                überzeugt hat, wie klein die Erde ist; schon im Ganzen, und dann noch
                davon der Theil derselben, den die Menschen bewohnen; und wie
                [lächerlich] wir, auf einem ganz kleinen Fleckchen festgebannt, selbst
                den meisten Völkern vollkommen unbekannt, dennoch hoffen, daß

                unseres Namens Ruhm, wer weiß wie weit, fliegen und sich verbreiten
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                werde:   der ferner Ländereien, und Gebäude, und Viehheerden, und
                eine unermeßliche Masse Silbers und Goldes weder für Güter zu halten

                noch so zu nennen pflegt, weil ihm der Genuß von diesen Dingen
                werthlos, ihr Nutzen unbedeutend, weil ihr Besitz unsicher ist, und weil
                sie oft auch in unermeßlicher Menge als Eigenthum der
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                verabscheuungswürdigsten Menschen erscheinen.   Für wie
                hochbegütert ist Derjenige zu achten, der allein mit Wahrheit Alles als

                sein Eigenthum anzusprechen die Befugniß hat, nicht nach dem
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                Quiritenrechte [Römischen Eigenthumsrechte],   sondern nach dem
                Rechte der Weisen; nicht nach bürgerlichem Schuldverbande, sondern

                nach dem gemeinsamen Gesetze der Natur, welches nicht haben will,
                daß irgend Etwas Jemands Eigenthum sey, außer Dessen, der es zu
                behandeln und zu gebrauchen versteht, der die Ansicht hat, daß unsere
                Befehlshaberstellen und Consulwürden unter die Dinge gehören, denen
                man sich unterziehen, nicht die man sich wünschen müsse, die man auf
                sich nehmen soll, um das Seinige zum Dienste des Vaterlandes
                beizutragen, die man aber nicht der Belohnungen oder des Ruhms wegen

                suchen dürfe; der endlich, wie, nach der Erzählung des Cato, mein
                Großvater Africanus zu sagen pflegte, von sich rühmen kann, daß er nie
                mehr thue, als wenn er Nichts zu thun habe, daß er nie weniger allein
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                sey, als wenn er allein sey.   Denn Wer kann mit Wahrheit glauben, daß
                Dionysius, als er durch alle möglichen Ränke seinen Mitbürgern ihre
                Freiheit raubte, mehr gethan habe, als sein Mitbürger Archimedes, als er
                eben jene Sphäre, von der vorhin die Rede war, verfertigte, zu einer Zeit,
                wo er Nichts zu thun schien? Wer muß aber nicht Diejenigen mehr für
                einsam halten, die auf dem Markte und im Volksgewühle Niemand
                haben, mit dem sie sprechen möchten, als Die, welche, ohne einen

                Zeugen um sich zu haben, sich entweder mit sich selbst unterhalten, oder





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