Page 404 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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und wirklich war der Mann recht verständigen Sinnes und gewandt, wie
                ihn Ennius schildert; nicht darum, weil er Dinge untersuchte, hinter die
                er nie hätte kommen können, sondern weil er solche [Rechts-] Gutachten

                ertheilte, welche Die, die ihn zu Rathe zogen, von Sorge und Unruhe
                befreiten, und darum, weil er, wenn er gegen die Studien des Gallus
                sprach, immer jene Worte des Achilles aus der Iphigenia [des Ennius
                oder des Nävius] im Munde führte:


                   »Zeichen der Astrologen forscht er nach am Himmel: Deutelt aus,
                   »Wann des Juppiter Ziege, der Scorpion oder sonst ein Thier
                   erscheint.
                   »Keiner schaut, was vor dem Fuß liegt, Himmelsräum' ausspähen

                   sie.«  103


                Doch sagte derselbe Mann (denn ich hörte ihn gar oft und gerne), jener

                Zethus bei Pacuvius      104  sey den Wissenschaften gar zu abhold: besser
                gefiel ihm Neoptolemus bei Ennius, welcher sagt: das Philosophiren
                liebe er, nur aber kurz; denn Nichts thun, als Das, sey ihm zuwider.              105
                Indessen wenn euch die Studien der Griechen so gar sehr behagen, so

                gibt es doch noch andere zwanglosere und umfassendere, von denen sich
                auch eine Anwendung auf das Leben, oder auch selbst auf den Staat
                machen läßt. Jene Wissenschaften jedoch, wenn sie anders einen Werth
                haben, dienen dazu, den Geist der jungen Leute einigermaßen zu
                schärfen und gleichsam aufzureizen, damit er das Wichtigere desto
                leichter erfassen könne.

                     19. Nun gut, sagte Tubero, ich gebe dir Recht, Lälius; allein ich
                möchte wissen, was du denn unter dem Wichtigern verstehst. Lälius. Das
                will ich dir wahrhaftig gleich sagen, selbst auf die Gefahr hin, von dir
                verächtlich angesehen zu werden, da du den Scipio über jene Dinge am
                Himmel befragt hast, während ich der Ansicht bin, man müsse sich mehr
                um Das bekümmern, was unmittelbar vor den Augen liegt. Warum denn,

                frage ich, forscht der Enkel des L. Paullus,        106  der einen solchen Oheim
                hat,  107  der in der ruhmreichsten Familie und in einem so berühmten

                Staate geboren ist, darnach, wie es sich mit der Erscheinung der
                Doppelsonne verhalte, anstatt zu forschen, warum in Einem Staate
                gegenwärtig zwei Senate und fast gar zwei Völker sich finden? Hat doch,
                wie ihr seht, der Tod des Tiberius Gracchus und früher schon dessen
                ganzes Benehmen in seinem Tribunate das Eine Volk in zwo Parteien

                zerspalten,   108  die Verläumder und Neider des Scipio dagegen, nachdem





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