Page 461 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Denn warum soll eine Frau kein Vermögen besitzen? warum soll sie eine
Vestalische Jungfrau beerben können, aber ihre Mutter nicht? warum
aber soll, wenn einmal dem weiblichen Geschlechte ein Maß des
Vermögens bestimmt werden muß, des P. Crassus Tochter, wenn ihr
Vater nur diese einzige hat, hundert Millionen Aß haben können, ohne
daß dem Gesetze zu nahe getreten wird, die meinige nicht drei
Millionen? * * * 367
[Lücke von vielleicht zwei Seiten.]
11. [Hätte die Natur selbst] uns die Rechte vorgeschrieben, so würden
alle Menschen Dasselbe, und nicht dieselben Menschen das einemal
Dieß, das anderemal Jenes für Recht halten. Ich frage aber, wenn von
einem Gerechtigkeit liebenden und wohlgesinnten Manne erwartet wird,
daß er den Gesetzen gehorche. welchen soll er gehorchen? Etwa allen,
sie mögen beschaffen seyn, wie sie wollen? 368 Aber die Tugend verträgt
sich nicht mit dem Unbestande, und die Natur duldet keinen Wechsel
[ihrer Gesetze]; die Gesetze aber [, die die Menschen geben,] gelten
nicht durch den in uns liegenden Begriff von Gerechtigkeit, sondern weil
eine Strafe auf ihrer Uebertretung gesetzt ist. Das Recht hat folglich
nichts Naturgesetzmäßiges: und der unmittelbare Schluß hieraus ist, daß
wir auch nicht von Natur gerecht sind. Oder gibt man etwa zu, daß in den
Gesetzen Wandelbarkeit stattfinde, [behauptet] aber, wohlgesinnte
Menschen folgen durch natürlichen Trieb derjenigen Gerechtigkeit, die
es wirklich sey, nicht der, die nur dafür gelte. 369 Denn darin zeige sich
eben, daß ein Mann wohlgesinnt und gerecht sey, daß er Jedem Das
gebe, was er verdiene. Wie werden wir uns nun aber gegen die [vernunft-
und] sprachlosen Thiere benehmen? Denn nicht etwa unbedeutende
Stimmen, sondern Männer von großem Geiste und hoher Bildung,
Pythagoras und Empedokles, 370 behaupten entschieden die
Rechtsgleichheit aller lebenden Wesen, und rufen laut, unnachläßliche
Strafen drohen Denjenigen, welche gegen ein Thier gefrevelt haben. Es
ist also ein Verbrechen, ein unvernünftiges Thier zu beschädigen. Will
Einer dieses Verbrechen * * *
[Große Lücke. 371 ]
12. * * * 372 [Als nämlich [Alexander den Seeräuber] fragte, mit
welchem Rechte er denn so frech mit seinem Raubschiffe das Meer so
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