Page 465 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Befehlshaberstellen, aller Macht und allem Ueberflusse überhäuft wird;
                ja er überhaupt in den Augen Aller als der Edelste, als des höchsten
                Glückes Würdige gilt; Wer, [frage ich,] wird so thöricht seyn, sich noch

                zu besinnen, welcher von Beiden er seyn möchte?
                     18. Was von einzelnen Menschen gilt, das gilt auch von ganzen
                Völkern. So thöricht ist kein Staat, daß er nicht lieber mit Unrecht
                herrschen, als aus [lauter] Ungerechtigkeit unterjocht seyn wollte. Ich
                will meine Beweise nicht aus der Ferne herholen. Als ich Consul war,
                that ich einmal eine Anfrage wegen des mit den Numantinern

                geschlossenen Bündnisses:         389  ihr selbst waret ja bei der Berathung.
                Wußte nicht Jeder, daß Q. Pompejus den Vertrag geschlossen habe, und
                Mancinus in demselben Falle sey? Dieser edelgesinnte Mann uuterstützte
                noch den Vorschlag, den ich dem Senatsbeschlusse zu Folge machte;

                Jener wehrte sich auf's heftigste dagegen. Ist die Frage, Wer mehr
                Ehrgefühl und Rechtlichkeit gezeigt habe, so war Beides auf der Seite
                des Mancinus; fragt man nach Berechnung, Einsicht und Klugheit, so
                steht Pompejus oben an. Ist * * *


                                    [Lücke von unbestimmbarer Größe.            390 ]


                19. [»Von da ging dann [Carneades] vom Allgemeinen auf das
                Besondere über.« Es habe, sagte er, ein rechtschaffener Mann einen

                Sclaven, der gern entläuft, oder ein ungesundes und Krankheiten
                erzeugendes Haus:       391  er wisse diese Fehler allein, und biete darum [den
                Sclaven und das Haus] zum Kauf aus. Wird er nun öffentlich bekannt

                machen, er habe einen unzuverläßigen Sclaven und ein ungesundes Haus
                feil, oder wird er es dem Käufer verschweigen? Sagt er es voraus, so
                wird man ihn zwar für gut erklären, weil er dann Niemand täuscht, aber
                dennoch für thöricht, weil er Beides nun entweder um eine kleine
                Summe, oder gar nicht anbringen wird. Verschweigt er es, so wird er
                zwar klug seyn, weil er für seinen Beutel sorgt; aber schlecht zugleich,
                weil er betrügt. Oder trifft Einer einen Menschen, welcher Messing zu

                verkaufen glaubt, da es doch Gold ist, oder Blei, da es Silber ist: wird er
                schweigen, um es wohlfeil zu kaufen, oder es Jenem entdecken, um [es
                dann] theuer [zu bezahlen]? Es scheint offenbar thöricht, lieber theuer
                [einkaufen] zu wollen. »Damit gab er zu verstehen, Der, welcher gerecht
                und gut sey, sey thöricht; Der aber, welcher weise [klug] sey, sey böse.«]
                     20. [»Dann ging er auf bedeutendere Fälle über, wobei Keiner ohne

                Lebensgefahr gerecht seyn kann.« Er sagte nämlich: Es versteht sich,
                daß es zur Gerechtigkeit gehört, einen Menschen nicht zu tödten,




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