Page 467 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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hat er nicht so gedacht, was ich lieber [annehmen] will; so ist doch Das,

                was er sagt, das Gefühl empörend.          396  Nonius.]
                     22. [  397  Ein wahres Gesetz ist die gesunde Vernunft, die mit der

                Natur im Einklange steht, die Einer hat wie der Andere,             398  die sich
                selbst gleich bleibt, unwandelbar ist, die zur Uebung der Pflicht durch
                Gebot aufruft, durch Verbot vom Unrecht abschreckt; es gebietet aber
                oder verbietet den Rechtschaffenen eben so wenig vergebens, als es auf
                die Schlechtgesinnten durch sein Gebieten oder Verbieten Eindruck
                macht. An diesem Gesetze darf weder im Einzelnen, [durch

                Abänderung,] noch durch Beschränkung seines Umfanges, noch [im
                Ganzen] durch Abschaffung, etwas geändert werden; auch kann uns von
                dessen Erfüllung weder der Senat, noch das Volk frei sprechen, eben so
                wenig brauchen wir einen andern Erklärer und Ausleger desselben [als
                die Vernunft]: auch wird nicht ein anderes Gesetz zu Rom, ein anderes
                zu Athen, ein anderes jetzt, ein anderes künftig gelten; sondern alle
                Völker, und zwar zu jeder Zeit, wird Ein ewig geltendes und

                unveränderliches Gesetz verbinden; es wird auch nur Einen
                gemeinschaftlichen Anordner und allgebietenden Gesetzgeber haben,
                nämlich Gott; der der Urheber, Richter und Feststeller dieses Gesetzes
                ist; und Wer diesem nicht gehorchen wird, wird aus sich selbst
                heraustreten, und, indem er die menschliche Natur verschmäht, eben

                dadurch die größten Strafen leiden, gesetzt, daß er auch den andern
                Uebeln, die man für Strafen hält, entgeht. Lactant. Inst. VI, 8.             399 ]
                     23. [Ich weiß, daß, im dritten Buch des Cicero vom Staate, wenn ich
                nicht irre, die Behauptung steht, daß von einem Staate, wie er seyn soll,
                kein Krieg unternommen werde, ausser um eine eingegangene

                Verpflichtung zu erfüllen, oder zu seiner Selbsterhaltung. Was er aber
                unter dem Ausdruck: zu seiner Selbsterhaltung verstehe, oder welche
                Selbsterhaltung er verstanden wissen wolle, sagt er an einer andern
                Stelle: aber diesen Strafen, heißt es, welche auch die Thörichtsten fühlen,
                Dürftigkeit, Verbannung, Fesseln, Schlägen, entziehen sich oft die
                Einzelnen, wenn sie zu Beschleunigung ihres Todes Gelegenheit

                bekommen; für die Staaten aber ist der Tod, der die Einzelnen von der
                Strafe zu befreien scheint, selbst Strafe. Denn ein Staat muß auf ewige
                Dauer angelegt seyn. Er hat also keinen in seiner Natur liegenden
                Untergang wie ein Mensch, für den das Sterben nicht nur nothwendig,
                sondern oft sogar wünschenswerth ist. Geht aber ein Staat unter, wird er
                vernichtet und seines Daseyns beraubt; so ist es, um Kleines mit Großem








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