Page 471 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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29. * * * in Asien Tiberius Gracchus. 413 Er beharrte [auf der
Gerechtigkeit] gegen die Bürger; aber die Rechte der Bundesgenossen
und der Latiner und die mit ihnen geschlossenen Verträge achtete er
nicht. Sollte diese Gewohnheit und diese Willkührlichkeit weiter um sich
greifen, und unsere Herrschaft dem zu Folge auf Gewalt, statt auf Recht
sich stützen, so daß Die, welche bisher noch uns mit Willen gehorchen,
nur noch der Schrecken an uns fesselte; so ist mir, ob ich gleich so alt
bin, daß ich nicht mehr lange die Augen offen haben werde, doch für
unsere Nachkommen und jene ewige Dauer unseres Staates bange, dem
wirklich ewige Dauer zu versprechen wäre, wenn man die Einrichtungen
und Sitten unserer Vorfahren beibehalten hätte. 414
30. Als Lälius Dieß gesagt hatte, gaben ihm zwar alle Anwesende zu
erkennen, wie sehr sein Vortrag sie befriedigt habe; vor Allen jedoch
Scipio, der von Freude darüber wie begeistert war, und zu ihm sagte: du
hast zwar, mein Lälius, schon viele Streitsachen so verfochten, daß ich
dir nicht nur meinen Amtsgenossen 415 Servius Galba, den du, so lange
er lebte, Allen vorzogst [nicht an die Seite zu stellen wagte], sondern
nicht einmal einen der Attischen Redner, sey es an Anmuth * * * 416
[Lücke von zwölf Seiten.]
[– es habe ihm an zwei Eigenschaften gefehlt, deren Mangel ihn
gehindert habe, öffentlich und auf dem Forum als Redner aufzutreten,
nämlich an Selbstvertrauen und an Stimme – Nonius.
[– von dem Stöhnen der eingeschlossenen Menschen brüllte der Stier
– Aus dem Scholiasten des Juvenal. S. 245. ed. Cram.] 417
31. * * * zurückbringen. Wer konnte also jenen Staat eine res
publica, das heißt ein Gemeinwesen [Volkessache, res populi] nennen,
als das gesammte Volk durch die Grausamkeit eines Einzigen
unterdrückt war, und kein gemeinsamer Rechtsverband, keine
Uebereinkunft, keine Gemeinschaft des Vereins stattfand, was eben ein
Volk bildet? Und derselbe Fall war in Syrakus. Alle Herrlichkeit dieser
Stadt, von welcher Timäus rühmt, sie sey die größte und zugleich die
schönste aller Griechischen Städte, deren Burg so sehenswerth ist, deren
Seehäfen sich bis tief in das Innere der Stadt und an die aufgemauerten
Straßenufer erstrecken, mit den breiten Straßen, den Säulengängen,
Tempeln und Mauern – alles Dieß vermochte nicht zu bewirken, daß die
Stadt ein Gemeinwesen war, so lange Dionysius darin herrschte: denn
Nichts gehörte dem Volke: das Volk selbst aber gehörte Einem. Wo also
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