Page 481 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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geduldet würden. Die ältern Griechen beobachteten doch bei ihrer
                verkehrten Ansicht noch eine Art von Schicklichkeit, da bei ihnen sogar
                ein förmliches Gesetz bestand, daß die Comödie, Was sie nur wollte und

                über Wen sie nur wollte, namentlich sich auslassen dürfe.             450  Aber (so
                drückt sich Africanus in demselben Werke aus): Wen hat die Comödie
                nicht angetastet? oder vielmehr, Wen hat sie nicht mißhandelt? Wen hat
                sie geschont? Mochte sie immerhin heillose, bei'm Volke sich
                einschmeichelnde, Menschen, die im Staate Unruhen stifteten, einen

                Kleon, Kleophon, Hyperbolus angreifen.            451  Dagegen wollen wir noch
                Nichts einwenden (sagt er), wiewohl es immer besser ist, daß solcher
                Bürger Treiben vom Censor, als von einem Dichter geahndet werde:

                allein daß Perikles, nachdem er in seinem Vaterlande mit dem größten
                Ansehen schon eine Reihe von Jahren in Krieg und Frieden die
                Staatsgeschäfte geleitet hatte, mit Versen angegriffen, und diese auf der
                Bühne hergesagt worden, das war eben so unziemlich, als wenn bei uns
                Plautus oder Nävius den Publius und Cnäus Scipio,              452  oder wenn

                Cäcilius den Marcus Cato hätte schmähen wollen. Dann weiterhin sagt
                er: unsere zwölf Tafeln dagegen, die nur für sehr wenige Vergehen die
                Todesstrafe bestimmten, ordneten diese doch auf den Fall an: wenn
                Jemand einen Gesang oder ein Lied machen würde, das einen Andern

                um seinen guten Namen oder seine Ehre brächte.              453  Ein treffliches
                Gesetz. Denn die Lebensführung [der Bürger] muß dem Urtheile der
                Gerichte und den gesetzlichen Untersuchungen der Staatsbeamten
                unterworfen seyn, nicht den witzigen Köpfen der Dichter, und darf sich
                keinen Vorwurf gefallen lassen, wenn man nicht ermächtigt ist, darauf zu
                antworten und sich gerichtlich zu vertheidigen. – Dieß habe ich

                absichtlich aus dem vierten Buche des Cicero vom Staate ausgehoben,
                und zwar wörtlich, mit ganz kleinen Veränderungen oder Auslassungen,
                des leichtern Verständnisses wegen. Er kommt dann auf etwas Anderes,
                und schließt die Stelle so, daß er darthut, die alten Römer haben es nicht
                geduldet, daß auf der Bühne ein Lebender entweder gelobt oder getadelt
                werde. Augustin. de Civ. Dei II, 9.]

                     11. [– die Comödie, sagt Cicero, ist eine Nachahmung des Lebens,
                ein Spiegel des Umgangs, ein Nachbild der Wahrheit. Donat. de Com.
                et Trag. p. 57.]
                     [– [Bei den Griechen standen die Schauspieler in besserer Achtung:]
                denn, was Cicero in demselben Buche vom Staat erwähnt, der Athener
                Aeschines, ein berühmter Redner, war als Jüngling in Tragödien als
                Schauspieler aufgetreten, und wurde doch nachher ein bedeutender






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