Page 486 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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[Lücke von unbestimmbarer Größe.]


                4. * * * [– am besten befinden sich solche St]aaten, in welchen die
                bessern Bürger nach Lob und Ehre trachten, Unehre aber und Schande
                fliehen, [und wo sie] nicht sowohl durch Furcht und Strafe, die von den

                Gesetzen bestimmt ist, geschreckt werden, als durch die Scheu vor dem
                Unrecht, durch welches Gefühl die Natur dem Menschen eine Furcht vor
                nicht ungerechtem Tadel eingeflößt hat. Diese Scheu vermehrte jener
                Lenker der Staaten      463  noch durch die [öffentliche] Meinung, und
                vervollkommnete sie durch Anstalten und bildende Angewöhnung, so

                daß die Scham die Bürger nicht weniger von Vergehungen abhielt, als
                die Furcht. Das Bisherige gehört nun zu [seinem] Lobe, und hätte sich
                noch ausführlicher und mit mehr Fülle des Ausdrucks darstellen lassen.
                     5. Zum Gebrauche aber und zur Anwendung im Leben dient
                besonders jene bestimmte Anordnung durch Veranstaltung förmlicher

                Ehen, durch die Bestimmung über gesetzliche Kinder, über die
                geweihten Sitze der Penaten und Familien-Laren, so daß [durch den
                Staatsverband] alle [Bürger] nicht nur gemeinschaftliche, sondern auch
                [Jeder] eigenthümliche Vortheile haben sollte,          464  und ein beglücktes
                Leben nur möglich war, wenn im Staate Alles in guter Ordnung ging,

                und ein [auf diese Weise] wohlgeordneter Staat sich im höchsten Grade
                beglückt fühlen mußte. Deswegen kommt es mir immer unbegreiflich
                vor, was denn für eine große Gelehr * * *           465

                     6. [– Ich verwende deswegen alle Zeit auf die Erwägung des großen
                Einflusses eines solchen Mannes, wie ich ihn in meinem Werke, deiner
                Ansicht nach ziemlich gründlich, geschildert habe. Merkst du also,
                worauf nach meinen Grundsätzen jener Lenker des Staates alle seine
                Bestrebungen gerichtet haben muß? Denn so spricht im fünften Buche,
                denke ich, Scipio: So wie der Zweck des Steuermanns beglückte Fahrt,
                der des Arztes [Herstellung und Erhaltung der] Gesundheit, der des

                Feldherrn Sieg ist; so hat dieser Lenker des Staates das glückliche Leben
                der Staatsbürger zum Zwecke: daß es durch Macht gesichert, durch
                Wohlhabenheit behaglich, durch Ruhm verherrlicht, durch Tugend
                ehrenwerth sey: denn diese für die Menschen beglückendsten und
                wünschenswerthesten Erfolge sollen die Thätigkeit jenes Mannes
                krönen. Cicero ad Att. VIII, 11.]

                     [– preist doch auch selbst eure Literatur jenen Lenker des
                Vaterlandes, dem es mehr um das Wohl des Volkes zu thun ist, als um
                Durchsetzung seines Willens. Augustin. Epist. ad Nectar. 104.]






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