Page 492 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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ausgezeichnet war, hat Das, was Jener hierüber mit ziemlicher Bitterkeit
                tadelnd ausgesprochen, sogar in einem Buche niedergelegt. Das Uebrige
                jedoch, was er mit Unrecht getadelt hat, da es auf den Traum, von dem

                unsere Betrachtung ausgeht, keinen Bezug hat, müssen wir hier
                übergehen: aber jener Wahrheitsverdrehung wollen wir zu Leibe gehen,
                die in ihrer Nichtigkeit dargestellt werden muß, weil sie sonst den Cicero
                wie den Plato trifft. Er sagt, ein Philosoph hätte keine Dichtung aus
                seinem Kopfe herausspinnen sollen, weil keine Art von Hirngespinst
                Denen gezieme, die sich für Wahrheitsforscher ausgeben. Denn warum,
                sagt er, wenn du uns belehren wolltest, wie die überirdischen Dinge

                beschaffen seyen, und was es mit den Seelen für eine Bewandtniß habe,
                ist Dieß nicht durch einen einfachen und unumwundenen, unser Gemüth
                ansprechenden Vortrag geschehen; warum hat im Gegentheil eine
                künstlich ersonnene Person [gleichsam Maske] und ein wunderlich
                ausgedachter, unerhörter Zufall, und ein aus der Luft gegriffener
                Schauplatz für die zu Hülfe genommene Erdichtung, selbst die Pforte zur

                Möglichkeit der Auffindung der Wahrheit, durch eine Lüge verunreinigt?
                Weil nun diese Vorwürfe, die eigentlich auf den Platonischen Er
                abgeschleudert werden, auch die Ruhe unseres träumenden Africanus in
                den Kreis ihrer Anschuldigung ziehen, so wollen wir seinem Andringen
                uns entgegenstellen, und seine nichtigen Gegenreden aus dem Felde
                schlagen. Macrobius a. a. O. I, 2.]
                     8. [Diese Veranlassung gab gerade dem Scipio die Aufforderung,

                seinen Traum zu erzählen, den er nach seiner eigenen Ansage lange Zeit
                verschwieg. Denn da sich Lälius darüber beschwerend herausließ, daß
                man dem Nasika zur Belohnung für die Ermordung des Tyrannen keine

                Ehrenbildsäulen im Namen des Staates errichtet habe,              474  erwiederte
                nach einigen andern Aeußerungen Scipio darauf Folgendes. »Indessen,
                wiewohl der Weise in dem Bewußtseyn edler Thaten selbst schon seinen
                herrlichsten Lohn findet,      475  so verlangt doch jene erhabenere Tugend
                nicht Bildsäulen, die mit eingegossenem Blei auf ihren Gestellen

                befestigt sind,   476  noch Triumphe, deren Lorbeerkränze verwelken,
                sondern dauerndere und frischer bleibende Belohnungen. Und welches
                sind denn diese? fiel Lälius ein. So laßt mich denn, erwiederte Scipio,

                weil wir bereits am dritten Tage unserer Ferien sind,« – u.  s. w.: worauf
                er dann zur Erzählung des Traumes übergeht, und zeigt, daß jene Arten
                von Belohnungen dauernder und frischer bleibend seyen, die er im
                Himmel den guten Lenkern der Staaten vorbehalten gesehen habe.
                Macrobius a. a. O. I, 4.]






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