Page 56 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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als dein Festschmaus aufgetischt. – Ja, und zwar von dir, o
Thrasymachos, sagte ich, nachdem du mir wieder sanft geworden warst
und uns zu bedrohen aufgehört hattest. Ich habe jedoch nicht gut
geschmaust, und zwar durch meine eigene Schuld, nicht durch die
deinige; sondern ähnlich wie die Leckermäuler, nur immer von
demjenigen, was gerade herbeigetragen wird, schnell Etwas
hinwegnehmen und es verkosten, noch ehe sie die vorige Speise gehörig
genossen haben, so scheint mir, habe auch ich, noch ehe wir das zuerst
Erwogene fanden, nemlich, was denn wohl das Gerechte sei, eben jenes
bei Seite gelassen und mich zur Erwägung dessen gewendet, ob die
Gerechtigkeit eine Schlechtigkeit und Unkenntniß oder eine Weisheit
und Vortrefflichkeit sei, und da hinwiederum hernach jene Begründung
dessen uns in den Wurf kam, daß die Ungerechtigkeit gewinnbringender
sei, als die Gerechtigkeit, so könnte ich mich auch da wieder nicht
enthalten, von jenem weg auf dieß überzugehen, so daß mir jetzt in Folge
der Unterredung gerade das erwachsen ist, daß ich Nichts weiß; denn
wann ich von dem Gerechten nicht weiß, was es ist, werde ich
schwerlich wissen, ob es eine Vortrefflichkeit sei oder nicht, und ob der
es Besitzende nicht glücklich oder glücklich sei.
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