Page 57 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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Zweites Buch.



                                                  Inhaltsverzeichnis




                1. Ich glaubte nun, nachdem ich dieß gesprochen, einer weiteren
                Begründung überhoben zu sein, es war aber, wie es scheint, das

                Bisherige nur die Einleitung zu derselben; denn Glaukon, welcher auch
                sonst immer zu Allem den meisten Muth hat, ließ sich denn nun auch
                damals jenes freiwillige Zurücktreten des Thrasymachos nicht gefallen,
                sondern sagte: Ist deine Absicht, o Sokrates, dir bloß den Schein zu
                geben, als hättest du uns schon überzeugt, oder ist deine Absicht, uns
                wirklich erst noch zu überzeugen, daß in jeder Weise es besser sei,
                gerecht zu sein, als ungerecht? – Euch wirklich zu überzeugen, sprach

                ich, würde ich wenigstens wohl vorziehen, wenn es bei mir stünde. – Du
                thust demnach nicht, was deine Absicht ist. erwiederte er; denn sage mir:
                Scheint es dir etwa irgend ein derartiges Gut zu geben, welches wir
                gerne besitzen möchten, ohne hiebei seine weiteren Folgen zu verlangen,
                sondern wobei wir nur es selbst um seiner selbst willen lieben, wie z. B.

                die Freude und die unschädlichen Vergnügungen derartig sind, wann
                auch für die kommende Zeit durch dieselben gar Nichts weiter erwächst,
                als daß eben sich freut, wer sie hat? – Ja mir wenigstens, sagte ich,
                scheint es irgend ein Derartiges zu geben. – Was weiter? auch ein
                solches, welches wir sowohl um seiner selbst willen, als auch um dessen
                willen, was aus ihm erwächst, gerne wünschen, wie z. B. hinwiederum
                das Nachdenken und das Sehen und das Gesundsein; denn derartiges

                lieben wir doch wohl aus beiden Gründen? – Ja, sagte ich. – Siehst du
                aber auch eine dritte Art des Guten, sagte er, zu welcher die Leibesübung
                und die Krankenpflege und die ärztliche Thätigkeit und der Gelderwerb
                überhaupt gehört? von Solchem nemlich würden wir wohl sagen, daß es
                uns nützt, und um seiner selbst willen möchten wir es wohl nicht gerne
                besitzen, wohl aber um des Lohnes und der übrigen Dinge willen,

                welche aus ihm erwachsen. – Ja wohl, sagte ich, gibt es auch diese dritte
                Art; aber was soll’s hiemit? – Zu welcher von diesen, sagte er, rechnest
                du die Gerechtigkeit? – Ich glaube, erwiederte ich, zu jener schönsten,
                welche sowohl um ihrer selbst willen, als auch um dessen willen, was
                aus ihr erwächst, derjenige gerne wünschen muß, welcher glückselig sein
                will. – Nicht jedoch, sagte er, scheint sie auch der Menge dahin zu






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