Page 63 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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thut, die höchste öffentliche Meinung seiner Ungerechtigkeit, damit er
                bezüglich der Gerechtigkeit ein Erprobter sei, daß nemlich dieselbe in
                Folge übler Meinung und des hieraus Erwachsenden nicht befleckt

                werde; sondern unwandelbar verbleibe er bis zu seinem Tode, sein
                ganzes Leben hindurch ungerecht scheinend, wirklich aber gerecht
                seiend, damit jene beiden, fortgeschritten bis zum äußersten Punkte, der
                Eine in der Gerechtigkeit, der Andere aber in der Ungerechtigkeit, nun
                beurtheilt werden mögen, welcher von ihnen beiden nemlich der
                Glücklichere sei. –
                     5. Weh, o lieber Glaukon, sagte ich, mit welch kräftigen Zügen stellst

                du jeden jener beiden Männer, wie eine Bildsäule, zur Beurtheilung rein
                her! – Ja, sagte er, so sehr ich eben kann. Da aber beide die derartigen
                sind, so wird es, wie ich glaube, nichts Schwieriges mehr sein, in der
                weiteren Begründung durchzugehen, welcherlei Leben jeden von beiden
                erwarte. Dieß muß ich also hiemit angeben. Und wann dieß denn auch in
                etwas gröberer Weise ausgedrückt wird, so glaube nicht, o Sokrates, daß

                ich es sei, der spreche, sondern diejenigen, welche im Vergleiche mit der
                Gerechtigkeit die Ungerechtigkeit loben. Diese werden demnach
                Folgendes sagen, daß der Gerechte bei solchem Verhalten gegeißelt,
                gefoltert, in Ketten gelegt, durch Ausbrennen seiner Augen beraubt
                werden, und zuletzt, nachdem er all dieses erduldet, aufgehängt werden
                und hiemit erkennen wird, daß man nicht den Willen haben soll, gerecht
                zu sein, sondern nur es zu scheinen; jenen Spruch des Aeschylos aber

                müßte man also weit richtiger von dem Ungerechten anwenden, denn in
                der That wird man von dem Ungerechten sagen, daß er, indem er ein in
                sich wahrheitsgetreues Geschäft betreibt und nicht ein Scheinleben führt,
                »ungerecht nicht scheinen, sondern sein wolle«

                        »eines tiefen Saatbodens Frucht in seinem Sinne genießend,
                        aus welchem die sorgsamen Rathschlüsse entsprossen«.


                und daß er dann erstens im Staate herrsche, weil er ja gerecht zu sein
                scheint, sodann auch heirathe, aus welcher Familie er will, seine Töchter

                verheirathe, an wen er will, Geschäftsverkehr und Gemeinschaft mache,
                mit wem es ihm beliebt, und außer all diesem auch noch durch Gewinn
                sich Nutzen verschaffe, weil er am Unrechtthun nicht Anstoß nimmt.
                Wenn er demnach in irgend Kämpfe eintrete, sei es im Privat-, oder sei
                es im öffentlichen Leben, so erringe er die Oberhand und thue es seinen

                Feinden zuvor, indem er aber es Allen zuvorthue, werde er reich und
                erweise seinen Freunden Gutes und seinen Feinden Schlimmes, und auch
                Opfer und Weihgeschenke für Götter veranstalte er in genügender und




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