Page 719 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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einzelnen ruhen bleibt, wohl aber, wenn viele für ihre Erhaltung sorgen.
Die Vielen eignen sich zwar nicht dazu, ein Staatswesen zu ordnen, weil
sie bei ihrer Meinungsverschiedenheit das Rechte nicht erkennen; wenn
sie es aber erkannt haben, werden sie sich nicht vereinigen, um es wieder
preiszugeben. Daß aber Romulus wegen der Ermordung des Bruders und
des Genossen Entschuldigung verdient und daß der Beweggrund seines
Handelns nicht Herrschsucht, sondern das allgemeine Beste war, beweist
die sofortige Einsetzung eines Senats, mit dem er sich beriet und nach
dessen Gutachten er seine Beschlüsse faßte. Sieht man zu, welche
Gewalt Romulus sich vorbehielt, so findet man, daß er nur den
Oberbefehl über das Heer behielt, wenn der Krieg beschlossen war, und
das Recht, den Senat einzuberufen. Dies zeigte sich später deutlich, als
Rom durch die Vertreibung der Tarquinier frei wurde; denn man änderte
an den alten Einrichtungen nichts, außer daß an Stelle eines Königs auf
Lebenszeit zwei jährlich wechselnde Konsuln traten. Das ist das beste
Zeichen, daß alle ursprünglichen Einrichtungen der Stadt mehr der
bürgerlichen Freiheit als dem Absolutismus und der Tyrannei
entsprachen.
Zur Bekräftigung des oben Gesagten ließen sich zahllose Beispiele
anführen, wie Moses, Lykurg, Solon und andre Gründer von Reichen
und Republiken, die alle nur deshalb Gesetze zum allgemeinen Besten zu
geben vermochten, weil sie sich Gewalt beigelegt hatten. Ich will aber
diese Beispiele als bekannt übergehen und nur eins anführen, das zwar
nicht so berühmt, aber von allen zu beachten ist, die gute Gesetze zu
geben wünschen. König Agis von Sparta Agis IV, 244-241 v. Chr. wollte
die Spartaner in die Schranken der Lykurgischen Gesetze zurückführen,
von denen sie zum Teil abgewichen waren, denn er glaubte, daß seine
Vaterstadt dadurch viel von ihrer alten Tugend und somit von ihrer Kraft
und Herrschaft verloren hätte. Er wurde aber gleich zu Anfang von den
spartanischen Ephoren ermordet als ein Mann, der sich zum Tyrannen
aufwerfen wollte. Kleomenes, Kleomenes III., 235-221 v. Chr., von
Antigones Doson bei Sellasia 221 geschlagen, beging 220 Selbstmord.
sein Nachfolger in der Regierung, faßte den gleichen Plan, weil er aus
den hinterlassenen Papieren des Agis dessen Gesinnung und Absicht
erkannte. Er sah aber ein, daß er seinem Vaterlande diese Wohltat nicht
erweisen könnte, ohne im Besitz der Alleinherrschaft zu sein. Da es ihm
nun wegen des menschlichen Ehrgeizes unmöglich schien, den Vielen
gegen den Willen Weniger Gutes zu tun, ließ er bei passender
Gelegenheit alle Ephoren und wer ihm sonst im Wege sein konnte,
ermorden; danach stellte er die Gesetze Lykurgs in allem wieder her.
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