Page 723 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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zum Ruhm oder zur Schande, zur Sicherheit oder zur Furcht führt. Denn
                von den sechsundzwanzig Kaisern, die von Cäsar bis Maximinus
                regierten, wurden sechzehn ermordet, zehn starben eines natürlichen

                Todes. Befanden sich unter den Ermordeten auch ein paar gute Kaiser
                wie Galba und Pertinax, so fielen sie doch durch die Verderbnis, die ihre
                Vorgänger unter den Soldaten zurückgelassen hatten. Und war unter
                denen, die eines natürlichen Todes starben, einer oder der andre
                verbrecherisch, wie Severus, Gemeint ist Septimius Severus (193-211).
                so verdankte er seine Erhaltung seinem außerordentlichen Glück und
                seiner hervorragenden Tapferkeit, zwei Dingen, die wenigen zugleich

                gegeben sind. Auch erkennt man beim Lesen der römischen
                Kaisergeschichte, wie man einer guten Regierung Dauer geben kann.
                Denn alle Kaiser durch Erbfolge waren schlecht, Den Gedanken, daß die
                Erbfolge schädlich sei, vertritt auch Aristoteles, Politik, III, 10,9; VIII,
                8,2f.; sowie Polybios VI, 7,6ff.; 8,4. Vgl. auch Buch I, Kap. 19 dieses
                Werkes. Für die römische Kaisergeschichte war für Machiavelli

                Herodian maßgebend. mit Ausnahme von Titus, die durch Adoption alle
                gut, wie die fünf von Nerva bis Mark Aurel. Sobald aber das Reich an
                die Erben fiel, geriet es sogleich in Verfall.
                     Halte sich ein Fürst also die Zeit von Nerva bis Mark Aurel vor
                Augen und vergleiche sie mit der früheren und späteren. Dann wähle er,
                in welcher Zeit er hätte geboren sein und in welcher er hätte regieren
                mögen. In den Zeiten der guten Kaiser wird er den Herrscher sicher

                inmitten seiner sicheren Bürger finden, die Welt in Frieden und
                Gerechtigkeit, den Senat in Ansehen, die Behörden in Ehren, die
                Reichen im Genuß ihres Reichtums, Adel und Verdienst erhöht, überall
                Ruhe und Wohlstand, aber Streit, Zügellosigkeit, Bestechung und
                Ehrgeiz verbannt. Er wird das goldene Zeitalter erblicken, wo jeder seine
                eigne Meinung haben und verteidigen kann. Kurz, er wird den Triumph

                der Welt sehen, den Herrscher geehrt und voller Ruhm, die Völker voller
                Liebe und Sicherheit. Betrachtet er dann die Zeiten der andern Kaiser, so
                findet er sie durch Kriege verwildert, durch Aufstände gespalten, in
                Krieg und Frieden grausam, viele Herrscher ermordet, viele innere und
                auswärtige Kriege, Italien im Elend und durch immer neue Unglücksfälle
                gebeugt, die Städte zerstört und verheert, Rom verbrannt, das Kapitol
                von den eigenen Bürgern niedergerissen, die alten Tempel verödet, die

                heiligen Bräuche entweiht, die Städte voller Ehebruch, das Meer voll
                Verbannter, die Felsinseln voller Blut. Er sieht in Rom zahllose
                Grausamkeiten verübt, Adel, Reichtum und Ehren, vor allem aber die
                Tugend als Todsünde geltend, die Angeber belohnt, die Sklaven gegen





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