Page 72 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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den Megarensern für deren Anschluß an Lacedämon durch Verwüstung
                ihres Landes rächten., welcher lautet:
                     »Söhne Ariston’s, göttlich Geschlecht ruhmwürdiger Herkunft«.



                Dieß, o Freunde, scheint mir sich richtig zu verhalten; denn wirklich
                etwas ganz Göttliches ist euch widerfahren, da ihr euch nicht davon habt
                überzeugen können, daß die Ungerechtigkeit besser, als die
                Gerechtigkeit sei, während ihr doch in seiner Weise zu Gunsten der
                ersteren zu sprechen die Fähigkeit habt. Ihr scheint mir denn nun in
                Wahrheit nicht davon überzeugt zu sein; ich entnehme dieß aber aus

                eurem übrigen Charakter, denn nach eueren Reden selbst wenigstens
                müßte ich euch mißtrauen. Je mehr ich aber wirklich auf euch vertraue,
                desto mehr bin ich rathlos, was ich mit der Sache anfangen solle;
                nemlich weder finde ich einen Ausweg, um Hülfe zu leisten, denn ich
                scheine mir hiezu unfähig zu sein; ein Zeichen hievon aber ist, daß ihr
                jenes, worin ich gegen Thrasymachos darzulegen glaubte, daß die

                Gerechtigkeit besser als die Ungerechtigkeit ist, mir nicht gelten lassen
                wollt; noch aber auch hinwiederum finde ich einen Ausweg, um nicht
                Hülfe zu leisten, denn ich fürchte, es möchte unerlaubt sein, bei
                Schmähungen gegen die Gerechtigkeit zugegen zu sein und dann Alles
                abzulehnen und nicht Hülfe zu leisten, so lange man noch athmet und
                einen Laut von sich geben kann. Das Beste also wohl ist, daß ich ihr in
                jener Weise, in welcher ich eben kann, rettend beistehe. – Glaukon also

                und alle Uebrigen baten mich, in jeder Weise zu Hülfe zu kommen und
                von der begründenden Rede nicht abzulassen, sondern aufzuspüren,
                sowohl was jedes von jenen beiden sei, als auch nach welcher Seite hin
                betreffs ihres Nutzens die Wahrheit liege. – Ich sagte also, was meine
                Ansicht war: die Untersuchung, an welche wir uns gemacht, ist, wie sich
                mir zeigt, nicht Sache eines schlecht Sehenden, sondern eines scharf

                Sehenden. Da also wir nicht gewandt sind, sagte ich, so dünkt es mir gut,
                ein derartiges Verfahren bei dem Untersuchen einzuschlagen, wie etwa,
                falls Jemand uns, die wir nicht sehr scharf sehen, beföhle, kleine
                Buchstaben von Weitem zu lesen, und hierauf Einer auf den Gedanken
                käme, daß diese nemlichen Buchstaben auch schon irgendwo anders
                größer und an einem Größeren vorhanden seien, es dann wahrhaftig ein
                glücklicher Fund wäre, jene letzteren zuerst zu lesen und so dann betreffs

                der kleineren zu erwägen, ob sie wirklich die nemlichen seien. – Ja wohl,
                allerdings, sagte Adeimantos; aber welches Derartige denn, o Sokrates,
                erblickst du in der Untersuchung betreffs des Gerechten? – Ich will es dir
                sagen, erwiederte ich: die Gerechtigkeit ist, behaupten wir, theils Sache





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