Page 74 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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wird ein Staat zur Herstellung so vieler Dinge sich selbst genügen? als
ein Verschiedener nemlich ist der Eine ein Landbebauer, der Andere ein
Häuserbauer, wieder ein Anderer ein Weber, oder sollen wir den
Lederverarbeiter eben dort noch hinzufügen, oder irgend eine andere
Kunst unter jenen, welche die Pflege des Leibes betreffen? – Ja,
allerdings ist es so. – Es möchte also wohl der notdürftigste Staat
wenigstens aus vier oder fünf Männern bestehen? – Ja, so zeigt sich’s. –
Was weiter also? muß ein jeder Einzelne von diesen seine Werkthätigkeit
als eine für Alle gemeinschaftliche darbieten, wie z. B. der Landbebauer
als ein Einzelner die Nahrung für Vier herstellen und die vierfache Zeit
und Mühe auf Herstellung der Nahrung verwenden und sie dann den
Anderen mittheilen, oder soll er um die letzteren sich nicht bekümmern
und bloß für sich allein den vierten Theil jener Nahrung im vierten
Theile der Zeit erzeugen, von den übrigen drei Viertheilen aber das eine
mit Herstellung des Hauses zubringen, das zweite mit Herstellung der
Kleidung, das dritte mit Herstellung der Schuhe, und hiemit nicht durch
Mittheilung an Andere mit Geschäften überhäuft sein, sondern nur durch
sich selbst allein seine eigenen Geschäfte betreiben? – Und Adeimantos
sagte: Vielleicht ja aber, o Sokrates, ist es in jener ersteren Weise
leichter, als in dieser letzteren. – Dieß ist bei Gott, sagte ich, auch nicht
ungereimt; denn ich bemerke auch selbst, während du sprichst, daß
erstens jeder Einzelne von uns von Natur aus nicht völlig gleich einem
jedem anderen Einzelnen ist, sondern eben verschieden seiner Natur
nach ein Jeder zur Vollführung einer anderen Werkthätigkeit tauglich ist;
oder scheint es dir nicht so? – Ja, sicher. – Was weiter? würde Jemand es
schöner vollführen, wenn er als ein Einzelner mit vielen Künsten sich
beschäftigt, oder wenn ein Einzelner nur mit Einer? – Wenn ein
Einzelner nur mit Einer, sagte er. – Nun aber ist ja, glaube ich, auch dieß
klar, daß, wenn Jemand den richtigen Zeitpunkt einer Werkthätigkeit
vorbeigehen läßt, dieselbe verdorben ist. – Ja, klar ist dieß. – Nicht
nemlich, glaube ich, will das Vollführtwerdende darauf warten, wann es
dem Vollführenden gelegen sei, sondern nothwendig muß der
Vollführende an das Vollführtwerdende sich anschließen, und zwar nicht
nach Geltung einer Nebensache. – Ja, nothwendig. – In Folge hievon
demnach entsteht Jedes sowohl in größerer Menge, als auch schöner und
leichter, wenn ein Einzelner naturgemäß nur Eines und im richtigen
Zeitpunkte, ungestört von Anderen, vollführt. – Ja, völlig wohl. –
Folglich sind, o Adeimantos, mehr Bürger als vier zur Herstellung des
von uns Erwähnten nöthig; denn der Landbebauer wird, wie es scheint,
nicht selbst sich den Pflug machen, wofern er gut sein soll, und auch
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