Page 77 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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kochen und letztere backen, tüchtige Kuchen und Brode auf Binsen oder
                reine Blätter legen, sich selbst auf hingestreute Taxus-und Myrthen-
                Zweige hinstrecken und dann mit ihren Kindern in solchem Genusse

                schwelgen und Wein dazu trinken, mit Kränzen auf dem Haupte und
                Loblieder auf die Götter singend, indem sie vergnügt mit einander
                beisammen sind, ohne eine ihr Vermögen übersteigende Zahl von
                Kindern zu erzeugen, vor Armuth oder Krieg sich wohl hütend? –
                     13. Und Glaukon nahm nun das Wort und sagte: Ohne Zukost ja läßst
                du, wie es scheint, deine Männer schmausen. – Du sprichst wahr, sagte
                ich; ich vergaß, daß sie auch Zukost haben werden, Salz nemlich,

                versteht sich, und Oliven und Käse; auch Wurzel-und Kraut-Gemüse,
                was es so auf dem Felde für die Küche gibt, werden sie kochen; und
                auch einen Nachtisch wollen wir ihnen aufsetzen, bestehend aus Feigen
                und Felderbsen und Bohnen; auch Myrthenfrüchte und Eicheln werden
                sie sich am Feuer rösten, und dazu mit Maß einen Schluck Wein trinken;
                und auf diese Weise werden sie ihr Leben in Frieden zubringen, in voller

                Gesundheit, wie es scheint, sehr alt werden, und bei ihrem Tode wieder
                ein anderes solches Leben ihren Nachkommen hinterlassen. – Und Jener
                sagte: Falls du etwa, o Sokrates, einen Staat von Schweinen einzurichten
                hättest, mit welch anderer Kost, als mit eben dieser, würdest du sie wohl
                füttern? – Aber wie soll ich es denn anders machen, o Glaukon? sagte
                ich. – Doch ja in einer Weise, wie sie allgemeingültig ist, sagte er; daß
                sie sich, meine ich, sowohl auf Stühlen niederlassen, wenn sie nicht ein

                klägliches Leben führen sollen, als auch an Tischen speisen, und auch
                eine Zukost und einen Nachtisch haben, wie eben die jetzigen Menschen.
                – Weiter! sagte ich; ich verstehe wohl; nicht von einem Staate bloß, wie
                es scheint, erwägen wir es also, wie er entstehe, sondern auch von einem
                üppigen Staate. Vielleicht nun ist dieß auch nicht ungehörig; denn bei der
                Erwägung desselben könnten wir ja etwa sowohl die Gerechtigkeit, als

                auch die Ungerechtigkeit erblicken, in welcher Beziehung nemlich sie
                sich wohl den Staaten einpflanzen. Der wahrhafte Staat nun scheint mir
                jener zu sein, welchen wir so eben durchgegangen haben, gleichsam
                nemlich ein gesunder Staat; wenn ihr aber hinwiederum wollt, daß wir
                auch einen entzündlich angeschwollenen Staat betrachten, so steht dem
                Nichts im WegeEs versteht sich von selbst, daß, wer die reiche
                Entfaltung der äußeren Verhältnisse des menschlichen Daseins als eine

                gefährliche Krankheit betrachtet, nicht im Stande sein kann, eine
                genügende begriffsmäßige Darstellung des Lebens und seiner
                Bedingungen, sowie seiner Gestaltung zu geben; denn selbst abgesehen
                von der Frage, wo denn begriffsmäßig eigentlich das Krankhafte





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