Page 80 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 80

welches er, ungestört von Anderem, sich angelegen sein lassen soll, und
                hiedurch, indem er sein Leben lang es treibt, keinen günstigen Zeitpunkt
                vorbeilassend, es gut bewerkstelligt. Gelten aber denn nun die

                Kriegsverhältnisse nicht am höchsten, wenn sie gut bewerkstelligt
                werdend oder ist dieß so leicht, daß auch irgend Einer ein Krieger sein
                wird, während er zugleich das Land bebaut und Leder verarbeitet und
                irgend eine andere Kunst betreibt; ein tüchtiger Brett-oder WürfelSpieler
                aber könnte etwa doch kein Einziger werden, der sich nicht von Kindheit
                an hiemit beschäftigte, sondern als Nebensache es betrachtete? und bei
                dem Schilde oder irgend einer anderen kriegerischen Waffe oder einem

                solchen Werkzeuge würde derjenige, welcher es nur in die Hand nimmt,
                zur selben Stunde schon ein genügender Kämpfer für eine Schlacht der
                Schwerbewaffneten oder sonst irgend eine andere Kriegführung, von den
                übrigen Werkzeugen hingegen würde keines dadurch, daß es bloß in die
                Hand genommen wird, irgend Jemanden schon zu einem Werkmeister
                oder Kämpfer machen, ja dieselben nicht einmal brauchbar für

                denjenigen sein, welcher weder das Wissen eines Jeglichen erfaßt, noch
                genügende Uebung darauf verwendet hat? – Viel werth, sagte er, wären
                ja außerdem freilich schon die Werkzeuge. –
                     15. Nicht wahr also, sagte ich, je mehr die Werkthätigkeit jener
                Wächter die größte ist, um so mehr bedarf sie auch sowohl des meisten
                Zeitaufwandes unter allen übrigen, als auch andrerseits der größten
                Kunst und Sorgfalt? – Ich wenigstens glaube es wohl, sagte er. – Wohl

                also bedarf es auch einer zu diesem Betriebe tauglichen Begabung? –
                Wie sollte es auch nicht so sein? – Unsere Aufgabe demnach ist es, wie
                es scheint, woferne wir es im Stande sind, eine Auswahl zu treffen,
                welche und welcherlei Begabungen tauglich seien zur Bewachung eines
                Staates. – Ja, unsere Aufgabe wohl. – Wahrlich bei Gott, sagte ich, nicht
                ein geringes Geschäft also haben wir uns aufgeladen; dennoch aber

                dürfen wir den Muth nicht sinken lassen, so weit wenigstens unsere Kraft
                ausreicht. – Nein, allerdings nicht, sagte er. – Glaubst du also, sprach ich,
                daß irgend ein Unterschied sei in Bezug auf Bewachung zwischen der
                Begabung eines tüchtigen jungen Hundes und eines edlen Jünglinges? –
                Was meinst du hiemit? – Nemlich Jeder von beiden soll doch sowohl
                einen geschärften Sinn haben, um etwas wahrzunehmen, als auch soll er
                behend sein, um, wenn er Etwas wahrnimmt, es zu verfolgen, und dann

                auch wieder kräftig soll er sein, falls er, wenn er es ereilt hat, mit
                demselben kämpfen muß. – Ja allerdings, sagte er, ist all dieses nöthig. –
                Und nun aber tapfer soll er ja sein, woferne er gut kämpfen soll. – Wie
                sollte es auch nicht so sein? – Wird aber etwa dasjenige tapfer sein





                                                           79
   75   76   77   78   79   80   81   82   83   84   85