Page 79 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
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werden wir auch die Schweinhirten bedürfen; nemlich diese fanden sich
                in unserem früheren Staate nicht, denn sie waren dort nicht nöthig; in
                diesem jetzigen aber werden auch diese ebenso nöthig sein, wie gar viele

                andere Thiergattungen, woferne man sie verspeist; oder wie sonst? –
                Warum aber auch nicht? – Nicht wahr also, auch Aerzte zu bedürfen,
                werden wir bei dieser Lebensweise weit mehr in dem Fall sein, als
                früher? – Ja, bei weitem. – Und auch das Land doch wohl, welches
                damals noch genügte, die damaligen zu ernähren, wird nun aus einem
                genügenden schon ein zu kleines geworden sein? oder wie anders sollen
                wir sagen? – Ja, eben so, sagte er. – Nicht wahr also, wir müssen uns

                Etwas von dem Lande der Nachbarn abschneiden, woferne wir ein
                genügendes für Weide und Acker haben sollen? und jene hinwiederum
                Etwas von dem unsrigen, wann auch jene sich freien Lauf zu
                unbegränztem Erwerbe von Dingen lassen und die Gränze des
                Nothdürftigen überschritten haben? – Ja, dringend nothwendig ist dieß, o
                Sokrates, sagte er. – Krieg führen also werden wir hierauf, o Glaukon,

                oder wie anders soll es sein? – Eben so, sagte er. – Und wir wollen hiebei
                noch Nichts davon sprechen, erwiederte ich, ob der Krieg ein Uebel oder
                ein Gut bewirke, sondern eben nur so viel, daß wir hiemit auch wieder
                die Entstehung des Krieges gefunden haben, woraus zumeist den Staaten
                sowohl für den Einzelnen, als auch für die öffentlichen Verhältnisse
                Uebel erwachsen, wenn eben welche daraus erwachsen. – Ja, allerdings
                wohl. – Ein noch größerer Staat also, o Freund, wird nun nöthig sein,

                und zwar nicht um ein Kleines, sondern um ein ganzes Heer, welches
                zum Schutze des gesammten Vermögens auszieht und zum Schutze von
                all jenem, was wir so eben angeführt haben, mit den Gegnern kämpfen
                wird. – Wie so aber? sagte jener; sind denn nicht jene selbst hiezu
                genügend? – Nein, erwiederte ich, woferne du und wir Alle in richtiger
                Weise Etwas zugestanden haben, als wir unseren Staat gestalteten; wir

                gestanden aber ja doch zu Cap. 11., wenn du dich dessen erinnerst, daß
                unmöglich Einer in vielen Künsten sich gut bethätigen könne. – Ja, du
                hast Recht, sagte er. – Wie nun also? sagte ich; scheint dir der Kampf im
                Kriege nicht Sache einer Kunst zu sein? – Ja wohl, sehr, sagte er. – Soll
                man also etwa um die Kunst der Lederbereitung mehr besorgt sein als
                um die Kriegskunst? – Keineswegs. – Aber den Lederarbeiter haben wir
                ja daran gehindert, daß er versuche, zugleich auch ein Landbebauer oder

                ein Weber oder ein Häuserbauer zu sein, damit nemlich eben die
                Werkthätigkeit der Lederbereitungskunst uns gut von Statten gehe, und
                auch jedem einzelnen der Uebrigen haben wir in gleicher Weise nur Eins
                zugetheilt, zu welchem nemlich Jeder von Natur aus geeignet ist, und





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