Page 76 - Philosophie und Politik: Staatstheorien von Platon, Cicero, Machiavelli und Thomas Morus (Vollständige deutsche Ausgaben)
P. 76
– Ja, allerdings wohl. – Wann also der Landbebauer oder irgend ein
anderer Werkmeister Etwas von demjenigen, was er macht, auf den
Markt bringt und dabei nicht zur nemlichen Zeit kömmt, wie diejenigen,
welche seine Sachen eintauschen wollen, wird er dann, ohne in seiner
eigenen Werkthätigkeit Etwas zu thun, müßig auf dem Markte dasitzen?
– Keineswegs, sagte er, sondern es gibt Leute, welche, wenn sie dieß
sehen, sich selbst zu dieser Dienstleistung hinstellen; und zwar sind dieß
in den richtig eingerichteten Staaten so ziemlich diejenigen, welche
bezüglich ihrer Körper die schwächsten und überhaupt zur Verrichtung
irgend einer anderen Werkthätigkeit unbrauchbar sind, denn sie müssen
dort auf dem Markte selbst verbleiben und einerseits gegen Geld Etwas
von jenen eintauschen, welche Etwas zu verkaufen wünschen, und
andrerseits hinwiederum gegen Geld Etwas an jene austauschen, welche
Etwas zu kaufen wünschen. – Dieß Bedürfniß also, sagte ich, bewirkt
uns für den Staat das Entstehen der Krämer; oder werden wir nicht
Krämer diejenigen nennen, welche zum Kaufe und Verkaufe
dienstleistend festgebannt auf dem Markte stehen, jene hingegen, welche
in den Städten umherwandeln, Kaufleute? – Ja, allerdings wohl. – Es gibt
aber auch noch irgend andere Dienstleistende, welche zwar bezüglich
ihrer Denkkraft nicht sehr würdige Theilnehmer der Gemeinschaft sind,
aber eine für die Mühen hinreichende Körperkraft besitzen; diese denn
nun verkaufen den Gebrauch ihrer Körperkraft und sind, indem sie diese
ihre Würde einen Lohn nennen, hiernach, wie ich glaube, Lohnknechte
genannt worden; oder wie sonst? – Ja, allerdings wohl. – Um demnach
den Staat vollzählig zu machen, gehören, wie es scheint, auch noch
Lohnknechte dazu. – Ja, so scheint es mir. – Ist uns also, o Adeimantos,
jetzt der Staat so gewachsen, daß er ein vollendeter ist? –Ja, vielleicht. –
Wo also wohl möchte in ihm die Gerechtigkeit und die Ungerechtigkeit
sein, und mit welchem unter jenem, was wir jetzt erwogen haben, ist sie
gleichzeitig in ihm entstanden? – Ich wenigstens, o Sokrates, sagte er,
kann es mir nicht denken, wenn sie nicht etwa in irgend einem
wechselseitigen Bedürfnisse eben dieser Leute beruht. – Aber vielleicht
auch, sagte ich, hast du hierin Recht, und wir müssen dieß ja erwägen
und dürfen hiebei nicht ermüden. Erstens also wollen wir erwägen, in
welcher Art und Weise jene so Eingerichteten ihr Leben führen werden.
Werden sie es irgend anders machen, als daß sie eben Nahrung und Wein
und Kleider und Schuhe herstellen und Häuser aufführen, und dann im
Sommer größtenteils nackt und unbeschuht arbeiten, im Winter aber
genügend eingehüllt und beschuht? nähren aber werden sie sich wohl,
indem sie aus Gerste Graupe und aus Weizen Mehl bereiten, erstere
75